Leben

8
Jul
2011

Muße



Bei Testsiegerin gibt einen Thread über die Muße.
Gestern habe ich einen alten Eintrag von mir wieder eingestellt, nachdem ich Berichte über die Bachmannwettbewerbstexte gelesen hatte.
Nachträglich fällt mir auf, dass es einen Querverweis zur Muße zu geben scheint. Es kommt der Satz vor, dass von den 52 Jahren, wo nichts passiert ist, nicht die Rede ist, sondern von den 32 Jahren danach, wo etwas passieren hätte sollen. Was das ist, verrate ich hier nicht.

Es reicht zu wissen aus, dass etwas passieren hätte sollen. Aber das was passieren sollte, konnte nur aus der Muße heraus geschehen. Sind wir nur im Alltagsgeschehen getrieben und können uns aus den umgebenden Zwängen nicht befreien, so können wir nicht das aus uns herausholen, was in uns steckt. So ähnlich wird es ja auch im "Zeit"-Artikel erwähnt, der von Katiza im angesprochenen Thread referenziert wird.

Die hier verlinkte Musik ist recht gut geeignet, um sich davon anregen zu lassen. Gefällig, aber keineswegs einfach, wird sie sich den Zuhörenden immer mehr erschließen, je mehr sie sich damit befassen. Teile davon kann ich durchaus als das Wasser sehen, in dem mehr steckt als wir in der Flasche erkennen können.

Gestern habe ich mich wieder einmal mit 18 Litern Knjaz Milos eingedeckt, ein Mineralwasser, das mir sehr gut zu bekommen scheint.
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7
Jul
2011

Wie fühlt sich ein Stein?

Für Hartgesottene...

Wie fühlt sich denn der David wenn er von Michelangelo geschliffen wird?
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Das weiß ich jetzt, habe ich mir heute gedacht. Zweieinhalb Stunden ohne Betäubung, eigentlich auch ohne besondere Schmerzen habe ich miterlebt, wie der Zahnarzt liebevollst an meinen Zähnen gebohrt, geschliffen und modelliert hat. Und das an Zähnen, die dann sowieso von Kronen verdeckt werden.
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Das Schlimmste ist natürlich, dass ich während dieser Zeit zwar die Goschen offen halten muss, aber nichts reden darf (oder kann).
Man lernt dabei aber die kleinsten Nuancen einer Sprache wahrnehmen, die man noch nicht ganz versteht. Es ist wirklich ein Erlebnis.
ich glaube aber trotzdem nicht, dass ich es als Muße bezeichnen würde.
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6
Jul
2011

Für Schadenfrohe und Sadisten:)

Nix für zarte Gemüter!

Die Zeit vergeht noch immer sehr schnell. Vor drei Monaten berichtete ich über meine Kieferoperation.
Das war ja nur der erste Teil.
Heute wollte ich die Termine für die Fortsetzung ausmachen. Kein Mensch hatte mir verraten, dass der bereits der heutige Eingriff, der nur 20 Minuten dauern sollte, weh tun würde. Schuld war ich natürlich selber, denn gerade heute hatte ich in der Früh vergessen, mein Blutdruckmittel zu nehmen.
Damit war mein Metabolismus auf Hochtouren, ich blutete mehr als erwartet und das Anästhetikum wurde nur zweiter Sieger. Nach einer Stunde war ich wirklich geschafft. Ich hatte Schmerzen, die trotz Schmerzmittel noch ungefähr eine Stunde anhielten. Noch mehr schaffte mich allerdings die Aussage, dass ich noch sieben Termine vor mir hätte. Gut, die letzten zwei dienen nur mehr der Anprobe. Aber morgen wird etwas ganz komisches gemacht, von dem ich nur verstanden habe, dass es zwei Stunden dauern wird. Also rechne ich mit vier Stunden. Am Samstag soll dann noch etwas Essentielles passieren und am Montag bekomme ich dann ersatzweise kleine Kunststoffzahnderl, bis das Labor dann den Rest fertigstellt.
Das Gute an der Sache ist allerdings: wenn ich am 22.7.2011 nach Wien zurückkehre, sehe ich entweder wie ein Hollywood-Star aus oder ich bin tot. Die Chancen stehen allerdings ungleich besser für den Hollywood-Star:)
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30
Jun
2011

Prag - ich - und Prag

Ich bin heute sechzig geworden und sitze allein in einem Schnellzug nach Prag. Die Fahrt auf der tschechischen Strecke zwischen Breclav und Prag erlaubt es mir, meinen Gedanken nach zu hängen. Der Oberbau des Gleiskörpers lässt auch bei einer Geschwindigkeit von hundertvierzig Kilometer pro Stunde Tempo fühlbar werden. Bei Hrusovany kommt eine starke Kindheitserinnerung hoch. Die durchfahrenen Bahnhöfe haben teilweise österreichischen Zuschnitt und sie erinnern mich an die Faller-Modellbauhäuser für die Modelleisenbahn. (Jetzt sehe ich eben eine imposante Kirche in Brno. Fast alles sieht nach Sechzigerjahren aus. Palac Padowetz, welches vermutlich ein Hotel ist, kann ich vom Bahnhof, in dem wir gerade gehalten haben sehen. Ein älterer, doch renovierter Bau. Die Autos sind neu. Am Parkplatz stehen Skodas und Audis.
Doch zurück zu den kleinen Plastikhäusern, die mit Uhu zusammen geklebt wurden. Die waren ein Luxus. Kleinere Modelle, wobei klein so viel wie einfach bedeutet, bekam ich manchmal geschenkt. Weil ich ungeduldig und auch schlampig bin, wurden meine Modelle nie so schön, wie sie es hätten werden können. Fasziniert haben mich aber die Bestandteile, die man erst von Rippen ablösen musste. Manchmal blieb noch ein kleiner Steg am Einzelteil übrig, den man sorgfältig abschneiden oder abschleifen musste. Fenster wurden mit Zellophanpapier hinterklebt, was eine ziemliche Patzerei sein konnte. Die Kunst bestand darin, die Fenster so hinein zu kleben, dass auf dem Glasteil kein Rest von Klebstoff zu sehen war. Diese Kunst beherrschte ich nicht.
Auch wenn mein Urururgroßvater ein Bierbrauer in Prag gewesen ist, meine Großeltern ausschließlich aus Böhmen und Mähren stammen, und wenn sogar der Kulturverein, dem ich angehöre, in Prag gegründet worden ist, mag ich Prag nicht. Ich kann das heute umso leichter fest stellen, als ich mich ja schnellstens in Belgrad eingewöhnt habe. Ich mochte auch Moskau. In Prag hätte ich einmal arbeiten sollen. Heute bin ich froh, dass es damals nicht dazu kam.
Die tschechischen Lokomotiven mag ich. Gelb-rot, grün-weiß, blau-grau besitzen sie Identität und zeigen Gesichter. Lokomotiven haben für mich immer Gesichter gehabt. Elektrische sogar noch ausgeprägter als Dampflokomotiven, was einige verwundern mag.
Ich wollte doch Gedanken zum heutigen Tag niederschreiben und stelle fest, dass mich die kleinste Erinnerung auf eine Assoziationskette bringt, die mit Alter, mit der Erfahrung, mit dem Festtag überhaupt nichts zu tun zu haben scheint.
Die Feier gab es ja schon vor drei Tagen und dabei sind auch einige Dinge angesprochen worden, die der Erwähnung wert sind, Einiges an Betrachtungen, die mir den Eindruck vermitteln könnten, dass das Fremdbild und das Eigenbild zumindest sporadisch Übereinstimmungen aufweisen.
Was soll aber jemand mit meinen Gedanken zur Physiognomie von Lokomotiven anfangen?
Eine Freundin hat anlässlich der Geburtstagsfeier eine sehr launische Rede gehalten, die darin gegipfelt hat, dass ich ihr einmal zum Gewinn eines Redewettbewerbs in Paris geholfen hätte. Sie hätte mich als überraschenden Menschen geschildert, der aus jeder Situation das Beste machen könnte.
Ich frage mich, ob das meine Persönlichkeit ausmacht. Als ich während meiner Arbeitslosigkeit einmal die Sorge hatte, in Depression zu verfallen, konsultierte ich einen Psychologen, der überrascht feststellte, dass er noch nie einen Menschen erlebt hätte, der trotz extrem großer Ängste ein so erfolgreiches Leben führen konnte. Daraufhin war ich nun selbst überrascht, denn von meinen Ängsten hatte ich soweit gar nichts mitbekommen.
Auch heute kann ich nicht sagen, ob es sich um Ängste betreffend Verlust oder Ängste in Bezug auf mögliches Versagen handelt. Ich musste fünfundfünfzig Jahre alt werden, um mir selbst das Scheitern eines großen Projektes zu gestatten, für das ich verantwortlich war. Zwar gab es durchaus Gründe, es mit gutem Gewissen scheitern zu lassen, doch hätte ich mir früher nie gestattet, es einfach so laufen zu lassen. Ich hätte mit Nachtschichten, mit übermäßigen Einsatz unter Aufbietung aller Kräfte einen vernünftigen Abschluss bewerkstelligen können, um meinen Ruf zu retten, um meine Selbstachtung zu behalten. Das war es ja, was ich am Scheitern am meisten fürchtete. Gab es eine Enttäuschung, als ich feststellte, dass weder mein Ruf noch meine Selbstachtung gelitten hatten? Vielleicht war es sogar eine weitsichtige Entscheidung gewesen. Die Firma hätte mich nicht so leicht ziehen lassen. Ich musste trotzdem noch über ein Jahr kämpfen, bis sie mich mit einer entsprechenden Abfertigung verabschiedeten.
Mein Problem ist wohl, dass es zu vieles gibt, was ich gerne machen und was ich gerne abschließen würde. Und ich bin faul, selbst wenn ich auf andere Menschen einen anderen Eindruck mache. Umso wichtiger war es für mich – und umso beglückender – das geplante Konzert für Freunde und Erwachsene auch wirklich durch zu führen. Wenn ich in Belgrad in der Nacht aufwachte und die Musik von den Clubs an der nahen Sava in meine Wohnung herüber schallte, setzte ich mir die Kopfhörer auf und übte schwierige Passagen ein, zwei Stunden lang.
Manchen Menschen habe ich von der Hirt-Methode erzählt. Obwohl sie noch immer verkauft wird, scheint sie nach dem Tod des Begründers etwas an Präsenz verloren zu haben. Auch dieser Methodik bin ich nur auf sehr schlampige Weise gefolgt. Doch das Prinzip des „Gesetzes von Lust und Unlust“ hat sich bei mir nachhaltig eingebrannt. Meiner Meinung nach behält es auch seine Gültigkeit, obwohl die darin enthaltenen Erklärungen zu den Gehirnvorgängen durch die Erkenntnisse der neueren Gehirnforschung einer Modifikation bedürften.
In jede Aufgabe muss man eintauchen, sich mit ihrer Lösung identifizieren. Dann wird man die Aufgabe gut lösen können und wird Spaß an der Arbeit haben. Es gibt eine unangenehme Aufgabe, etwas Zeitraubendes, etwas Langweiliges? Die Herausforderung besteht gerade darin, die Bewältigung als intellektuelles Rätsel zu sehen. Warum sollte die Aufgabe langweilig sein? Warum ist sie so zeitraubend? Lässt sich der Zeitdiebstahl vielleicht verhindern? Oder erlaubt mir die eintönige, wiederkehrende Arbeit, meine Gedanken schweifen zu lassen?
Natürlich hat eine derartige Herangehensweise auch ihre Nachteile. Jede Aufgabe bleibt nur so lange interessant, so lange man ihre Lösung nicht hundertprozentig absehen kann. Wird die gesamte Lösungsstrecke überschaubar, so gewinnt die Faulheit die Kontrolle. Ich weiß, wie es jetzt ablaufen wird, warum sollte ich mir deswegen noch weitere Gedanken machen?
Haben diese Überlegungen etwas mit dem heutigen Tag zu tun? Meine Schwester sagt, dass ich erfolgreich wäre. Nach meinen eigenen Vorstellungen bin ich nicht erfolgreich. Nicht jetzt. Ich war erfolgreich mit sechsunddreißig Jahren, als ich wusste, dass es auf der Welt nur ganz wenige Menschen gab, die über mein Thema mehr wussten als ich. Und das Thema betraf „ethical goods“, also den Umgang mit Geräten, die vor allem der medizinischen Forschung große Dienste leisteten.
Es ist die eigentliche Befriedigung des heutigen Tages, sich zurück zu lehnen und solche Gedanken freimütig zu äußern. Am Sonntag, als ich gerade über Mussorgsky wütete, gab Charles Taylor, der Philosoph, in Wien einen Vortrag. Ich habe Taylor am Institut für die Wissenschaft vom Menschen vor Jahren kennen gelernt. Mit seiner Begrifflichkeit von Authentizität kann ich viel anfangen. Irgendwie sehe ich da auch viele Querverbindungen zu Fromms „Sein und Haben“.
In beiden Werken findet sich auch der Querbezug zu „den anderen Menschen“. Dieser ist in meinem Fall ein sehr ambivalenter. Menschen? Ich hasse und ich liebe sie. Die Menschen, die in meinem Leben mitspielen, waren fast immer sehr gut zu mir. Nur wenige Male wurde gegen mich intrigiert und ganz bewusst versucht, mich zum Absturz zu bringen. Ich vergesse sie und die betreffenden Umstände nicht. Diese hasse ich auch nicht, weil ich mich damit nur selbst beschädigte. Es sind nur solche Momente wie dieser, dass ich überhaupt die Erinnerung an sie strapaziere.
Die allermeisten Menschen, die ich kenne und die zum großen Teil bei der Geburtstagsfeier anwesend waren, waren gut zu mir, sehr gut sogar. Privat sowieso, aber auch die Chefs haben mich gefördert. Als ich voller Stolz verkünden konnte, dass vier Chefs und Ex-Chefs meiner Einladung gefolgt wären, meinte einer von ihnen launig, dass wohl auch seine Chef-Kollegen ein Vergnügen gehabt haben müssten, „unter mir mein Boss“ zu sein. Das habe ich als Auszeichnung gewertet. Ich habe mich nie um Macht bemüht. Ich musste auch nur sehr selten etwas gegen meine Überzeugung vertreten, was eine der unangenehmsten Pflichten im Management ist.
Ceska Trebova. Noch eineinhalb Stunden bis Prag. Mir kommt vor, als schriebe ich hier eine Neuauflage von Moskau-Petuski. Allerdings bin ich nicht betrunken. War Jerofeev wohl auch nicht, als er es geschrieben hatte. Oder vielleicht doch? Ich müsste die Biografie googlen.
Wenn ich diese Zeilen schreibe, bin ich mir der Herausforderung bewusst. Jetzt bin ich Chef. Zwar habe ich einen Chef, doch das betrifft Österreich. In Serbien bin ich verantwortlich. Für alles. Und vor allem für meine Mitarbeiter, in die ich große Hoffnungen setze. Ich kann ihnen Chancen bieten und ich kann ihre technische Entwicklung beeinflussen. Ich kann aus ihnen Personen machen, die einmal meine Rolle spielen werden. Das hat nichts mit Anmaßung zu tun. Mein Sachgebiet ist einfach in Serbien noch unerforscht und ich habe noch ein bis zwei Jahre Zeit, bis sich das auch zu unserer Konkurrenz durchgesprochen hat. Zwar ist es sehr schwer, etwas zu verkaufen, wovon die Menschen noch nicht einmal eine Ahnung haben, dass sie es brauchen, doch wo ich hinkomme, werde ich mit offenen Armen empfangen.
Es ist so, wie mir ein bereits verstorbener Chef in der ersten großen Firma, in der ich gearbeitet habe, für den damaligen Verkauf prophezeit hat. „Sie brauchen keine Angst vor dem Verkauf haben. Sie müssen keine Klinken putzen. Die Kunden kommen zu uns und fragen uns nach Hilfe.“ So war es auch. Und so wünsche ich es mir in der zweiten Dekade unseres Jahrhunderts. Die Menschen sollen zu uns kommen, weil sie wissen, dass wir ihnen helfen können.
Mit der Überzeugung, dass ich diese Hilfe leisten kann, wende ich meinen Blick von der Vergangenheitsrichtung in die Zukunft.
Den Rest des Tages werde ich mit der Planung von Ausbildung, mit der Zusammenfassung und Präsentation für den Freitag und mit dem Theaterstück am Abend verbringen.
Ich sitze allein im Schnellzug nach Prag. Jemand schreibt mir: Du bist nicht allein, du bist mit deinen Gedanken. Und keinesfalls bin ich einsam.

Nachtrag am Tag danach

Die Ankunft in Prag war von einem Taxi-Betrug eingeleitet. Für die gelben Taxis am Bahnhof gibt es einen Dispatcher, der die Preise aushandelt. Ich konnte ihn zwar herunterhandeln, da ich aber die tatsächliche Entfernung nicht kannte, zahlte ich noch immer ungefähr zwölf Euro zuviel. Bei der Rezeption wurde ich an alte russische Zeiten erinnern: Wartezeit dreißig Minuten, bis ich im Zimmer war. Die Rezeptionistin war zwar sehr freundlich und spendierte mir ein Glas Champagner, doch die sehr persönliche Beratung, die sie jedem Gast angedeihen lässt, braucht ihre Zeit. Trotzdem soll das nicht als Beschwerdepunkt gewertet werden. Die Atmosphäre ist halt eher mehr die eines Palais, in das man als Gast eingeladen ist, als die einer Hotelkette. Apropos Hotelkette: im Zimmer lag eine Brochure „Pure Hotels“ auf, in dem das nämliche Hotel auch gelistet ist. Das Hotel hat nur einen Schwachpunkt. Der ist der Frühstücksraum oder sollte man besser Frühstücksdurchgang dazu sagen. Die Enge, die manchmal schon echt behindernd wirkte, störte mich weniger, als die ausschließlich indische oder pakistanische Mannschaftsbesetzung, die zwar freundlich aber ineffizient wirkte. Das englische Sprachverständnis war auch beschränkt und es gab kaum einen Satz, den man nicht wiederholen musste. Das ging auch den Gästen so, die Englisch als Muttersprache kennen. Die Badezimmerausrüstung hingegen war mit L-Occitane hervorragend bestückt. Ich bin versucht, mir die entsprechenden Tinkturen auch privat zu besorgen.
Prag selbst ist schön. Das behaupten alle Leute und ich stimme zu. Es gibt an jeder Ecke stimmige Motive, wenn man sich im alten Teil der Stadt bewegt. Weniger schön sind Stadtpläne, die in einem derart falschen Massstab gezeichnet sind, dass man auf die benötigte Zeit einer Wegstrecke überhaupt nicht schließen kann. So hatte mir auch die Rezeptionistin einen Spaziergang von fünfzehn Minuten angekündigt, der sich als nette Sight-seeing-Tour von fünfundvierzig Minuten herausstellte. Meine Vorstellung, die zweite Karte vielleicht noch verkaufen zu können, kann man als ausgesprochen naiv bezeichnen. Vor dem Martinicky-Palast gab es nur Personen, die schon Karten hatten, und sonst auch schon niemand. Wenn ich mich allerdings darin erinnere, dass die Karten für Carnuntum einundneunzig Euro gekostet hatten, hielt sich der Verlust in Grenzen, da die Karten in Prag viel billiger waren. Das Ambiente des Palastes und die Aufführung selbst entschädigten mich. Auch allein genoss ich das Theater. Beim Leichenschmaus kommen die Leute zusammen und ich neben einer Winzerstochter aus Strass im Strassertal zu sitzen.
Diesmal sah ich ganz andere Szenen als sonst, weil ich mich einfach treiben ließ. So rannte ich auch nicht den Almas hinterher sondern wartete mit Werfel auf die Gespräche zwischen den drei Ehemännern. Bei der Schlussszene verzichtete ich auf das Lazarett davor und saß in der ersten Reihe. Ich hatte schon vergessen, dass die abschließende Musik „La Valse“ von Ravel ist, was in mir ein ziemliche Harmonie auslöst. Die einzelnen Musikbeispiele von Mahlers Werk sind stimmig eingefügt. Der Totenmarsch aus der fünften Symphonie wurde länger gespielt, weil sich der Leichenzug außerhalb des Palastes rund um den ganzen Vorplatz und einen kleinen Park erstreckte.
Ich hatte mich mit Prag aufgrund der Aufführung ein bisschen ausgesöhnt, als ich heute beim Aus-Checken meine blauen Wunder erlebte. Obwohl ich das Taxi bereits vor dem Fertigmachen der Rechnung bestellen ließ, musste ich mindestens dreißig Minuten warten, bis es daher kam. Der Prager Verkehr tat sein Übriges und so erreichte ich den Zug gerade noch drei Minuten vor Abfahrt. Eine Stunde Zeit für etwas benötigt, was im Allgemeinen nicht mehr als fünfzehn Minuten dauern sollte. Da ich mittlerweile um meine eigene Fehleranfälligkeit Bescheid weiß, habe ich einen Extrareservezeitpuffer eingeplant. Der wurde aber auch voll ausgenützt.
Die Geschichte mit dem Taxibetrug ist bekannt. Wenn es den Tschechen egal ist, wie sie sich ihren Besuchern präsentieren, ist es mir auch egal. Ich sehe dann auch keine Veranlassung, meine Ressentiments, die ich ihnen gegenüber hege, zu überdenken. In Tschechien würde ich jedenfalls keine Firma gründen wollen, ja mich sogar weigern, dort zu arbeiten. Den Anschein der Schlitzohrigkeit, die bei einem Schwejk vielleicht noch zum Schmunzeln reizen kann, scheinen die Tschechen gar nicht erst ablegen zu wollen.
Ich schätze zwar „die wunderbare Leichtigkeit des Seins“, doch habe ich größte Schwierigkeiten, Sie mit Tschechien und Prag in Verbindung zu bringen.
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17
Jun
2011

Befindlichkeit

Stimmung gut, aber hundsmüde.
Am Vormittag Polizei, um eine vorläufige Residency zu bekommen. Muss morgen (=heute) noch einmal hin, um vor meinem Abflug noch ein Interview bei der Polizei zu geben. Früher konnte man das am gleichen Tag machen.
Na, sei's drum.
Aber dann am Nachmittag ein wichtiges Offert begonnen, mögliche Preise ausgerechnet (was verträgt der Kunde) und dann ein Mitarbeiterexamen ausgearbeitet.
Und anschließend entschieden, welche vier Kandidaten wir als Vollkandidaten nehmen. Und einer kommt noch halbtags dazu, weil er zwar zu jung ist, aber wirklich tolle Ergebnisse liefert.
Die Entscheidungen haben wir uns nicht leicht gemacht.
Zwei hätten wir auch ohne Examen genommen. Bei zweien wird es sich erst im Training herausstellen, wie gut sie werden können. Zwei waren Luschen trotz guter Papierform, einer hatte überzogene Gehaltsvorstellungen. Und dann gibt es halt noch unser Nesthäckchen. War schon Stipendiat in den USA, ist aber noch richtiges Kind, bei den Eltern lebend.
Wir haben uns dann noch ein gutes Essen (Frans) für die Nachbesprechung gegönnt.
Aber jetzt bin ich zum Auswringen. Da liegen noch ein paar Papiere herum, die dringendst erledigt gehören.
Muss bis morgen nachmittag warten.
Jetzt leg ich mich nieder. Nicht einmal mehr Klavier üben ist drin.
-
Aber eigentlich ist in den eineinhalb Monaten unheimlich viel weitergegangen. Konkretes Angebot in der Pipeline, ein weiteres für Einsatz im September, eine Mannschaft zum Ausbilden und intensivierte Kontakte zur Universität.
Durch das offene Fenster höre ich die Musik von irgend einem Clubbing. Aber das wird mich jetzt auch nicht mehr stören.
Ich wünsche allen eine gute Nacht.
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13
Jun
2011

E.H.E.C.

Eine Hohe Erkenntnis-Chance. Das könnte EHEC bedeuten.
Statt dessen werden wir noch FHEC, GHEC und HHEC erleben, bis wir drauf kommen, dass wir uns bestimmte Schwierigkeiten ganz konsequent selbst heran züchten.
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6
Jun
2011

Befindlichkeit




Ich habe es schon beschrieben. Ich werde hier von der Sonne geweckt. Die Dunkelheit des Bildes täuscht, weil es draußen noch viel heller ist. Die Sonne ist jetzt schon höher. Um 7 Uhr scheint sie mit voller Helligkeit direkt ins Zimmer. Auch jetzt ist das Zimmer strahlend hell. Ich merke, wie sich meine Laune sichtlich bessert, wenn ich so geweckt werde.
Natürlich gibt es auch eine Kehrseite. Der kleine Einkaufsspaziergang - zur Shopping Mall sind es 10 Minuten zu spazieren - hat mich vollkommen schweißüberströmt zurückkommen lassen. Dabei war es da schon nach 7 Uhr abends. Gestern war es allerdings auch schwül.
Heute Nacht wurde ich erstmalig von Lärm belästigt. Irgendwo in der Nähe, die Sava ist ja nicht einmal 200 Meter entfernt, muss es einen Klub geben, der gestern Rave und Heavy Metal voll aufgedreht hat. Da ich das Fenster voll offen habe, kam der Sound doch merkbar herein. Eigenartigerweise stört mich das nicht. Hat mich schon nicht gestört, als ich noch mit meinen Eltern in Italien Urlaub machten und spät abends der Tumult von der Straße herein kam.
Jetzt mache ich mich fertig für einen hoffentlich erfolgreichen Arbeitstag.
Die Laune ist jedenfalls großartig. (Hoffentlich verschreie ich da nichts.)
Morgen geht es ab nach Wien, was auch wieder ganz nett ist. So zwischendurch einmal:)
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4
Jun
2011

Selbst am Samstag

bin ich jetzt schon auf und denke ziemlich viel über den Montag-Termin nach. Noch wichtiger ist ein White-Paper, welches fertig zu stellen ich mir heute fest vorgenommen habe. Daran arbeite ich schon länger, aber ich brauche halt etwas Ruhe dazu.
Interessant war bei den Bewerbern, insgesamt drei gestern, dass sie alle lernen wollen. Und das tun sie auch um jeden Preis. Von einem dachte ich, dass er jüdisch sei, weil er Hebräisch als Sprachkenntnis hinsichtlich Lesen angab. Weit gefehlt. Weil ihn der Lehrinhalt einer Uni in Jerusalem so interessiert hat, ist er ein Jahr lang jeden zweiten Tag in ein benachbartes Dorf gefahren, weil dort ein aus Jaffa zurückgekehrter Lehrer Hebräisch-Unterricht gab. Und er wollte halt unbedingt die Online-Unterrichtsseiten lesen können.
Es gibt auch negative Überraschungen. So zum Beispiel ist einer schon 4 Jahre lang mit Testaufgaben beschäftigt, hat aber noch immer nicht kapiert, worum es eigentlich geht. Ich spreche jetzt nicht von theoretischem Wissen, das auch fehlt. Doch er entspricht durchaus dem Bild, das ich mir von manchen österreichischen Bewerbern mache.
Ein möglicher Kunde sagte gestern, dass wir das Gespräch schon vor zehn Tagen hätten führen sollen. Unser nächster Besprechungstermin ist bereits am Montag. Ohne es verschreien zu wollen - das sieht sehr gut aus.
Jetzt nach genau einem Monat nach der Firmengründung sieht die Angelegenheit besser aus, als ich sie in optimistischen Träumen erwartet hätte. Selbstverständlich wird es da noch viel Erwachen geben und der Teufel steckt bekanntlich im Detail.
Doch meine Entscheidung, diesen beruflichen Exodus zu wagen, war richtig. Daran kann kein Zweifel bestehen. Hier bin ich am richtigen Platz.
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3
Jun
2011

Lichtabhängigkeit

Also meine Lichtabhängigkeit ist größer als ich angenommen habe.
Da meine Schlafrichtung hier nach Osten geht und ich das Fenster normalerweise offen habe, bekomme ich den Sonnenaufgang, eigentlich schon die Dämmerung davor, voll mit und bin unmittelbar zum Arbeiten angeregt.
Möglicherweise ist das bereits pathologisch. Aber immerhin habe ich heute bereits ganz schön viel erledigt. Jetzt geht es unter die Dusche und danach um 9:00 zum Kundentermin.

P.S. Eigentlich ist das eher ein Beitrag für facebook und zählt unter den Befindlichkeitseinträgen, die ich selbst nicht so besonders schätze. Aber vielleicht wollte ich nur noch den Zeitpunkt hinauszögern, an dem ich mich unters Wasser stellen muss:)
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30
Mai
2011

Arbeitswoche

nur zwei Termine für heute und zwei für Donnerstag. Trotzdem bin ich überzeugt, dass ich nicht über Langeweile zu klagen habe.
Genügend Arbeit steht an.
Außerdem muss ich noch Einiges für Österreich aufarbeiten.
Umso wichtiger, dass meine Infrastruktur durchaus ausreichend ist. Ich kann hier genauso gut wie von zuhause arbeiten. Das reicht in der Regel:)
In 8 Minuten geht es wieder los:)
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Meine Kommentare

wenn Sie der Lehrer meiner...
würde ich mich wundern, dass Sie nicht auf meinen Kommentar...
abohn - 7. Mai, 09:56
Gut gewagt!
Ein sehr ansprechender Text! So etwas würde ich auch...
abohn - 25. Apr, 15:30
Eigentlich habe ich deinen...
Eigentlich habe ich deinen Sohn erkannt. Der ist ja...
lamamma - 27. Mär, 12:44
Überrascht
Ich bin wirkliich überrascht, dass gerade Du lamentierst....
lamamma - 26. Mär, 15:30
Wobei nähen sich ja viel...
Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
Schwallhalla - 26. Feb, 10:30

The bridge


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