13
Dez
2010

7. Fortsetzung 1784

Was zuvor geschah

Seite 17,18 von 33


VIII.

Abermals war es Spätherbst, Seferle sass mit der Mutter am Spinnrade, und summte Lieder aller Gattung, wozu letztere den „Dischkant“ brummte. Da trat der Vater ein, er kam eben von Wien. Nach dem herzlichen Willkomm war seine erste Frage: „Nu Seferle, mögst nicht auch mal mit nach Wien fahren, Deinen Geschwisterer geht’s ganz gut, und haben mir versprochen, für Dich gerne zu sorgen, wennst mitkommscht.“
Ueberrascht von diesem Antrage, war Seferle gleich dazu bereit, als aber der Abschied vom Muatterle und Brüaderle kam, da wollte schier das Herzel brechen. Weinen lagen sich Mutter und Tochter lange in den Armen, erste ermannt sich zuerst: „Sei brav Kind, in der grossen, grossen Stadt. Gott habe zuerst vor Augen, dann Deine Mutter, was Du glaubst, dass die Zwei gut heissen, das kannst Du unbedingt thun, bete fleissig, und vergiss keinen freien Augenblick auf die Kirche, arbeite streng, damit Deine Schwestern mit Dir zufrieden sind.“
Noch ein Paar herzhafte Küsse, der Vater drängte, sie eilten fort. Da kam ihnen eine alte Witwe aus dem Dorfe nachgehumpelt, deren einzigen Sohn man eben zum Militär genommen hatte.
„Ach,“ klagte sie zu Haas, „wenn Ihr nach Wien kommt, so sagt dem Koiser, „‘s Drille vom Schwihof (Gertrud vom Schwimhof) lasst ihn vielmalt bitten, ihr ihren Sohn wiederzugeben.“
Haas versprach lächelnd, sein Möglichstes zu thun.
Des andern Tages sass Seferle in einem Schiffe auf der Donau.
Städte, Dörfer, Wälder und Felder flogen am Ufer vorbei. Die neuen Gegenstände, die Freude, Wien und ihre Schwestern zu sehen, zerstreuten sie bald, als sie nun gar die Residenz erreichten, da wollte das Schauen und Wundern kein Ende nehmen. Liebreich nahmen die Schwestern das Mädchen auf; bald sass Seferle am Stickrahmen, und begriff die neue Arbeit mit wunderbarer Schnelligkeit. Sie brachte es durch Fleiss in Kurzem dahin, sich ebenfalls so viel als ihre Schwestern zu verdienen. – Da kam der Vater nach einem halben Jahre wieder und sagte: „Wenn’s Dir hier nicht g’falle thut, so nimm ich Dich schon wieder heim zum Muatterle.“
Nichts Anderes hätte sonst das Mädchen dazu bewogen, dieser Nahme hatte jedoch magische Gewalt.
Ihre Mutter wieder zu sehen, dieser Gedanke lässt sie freudig und unüberlegt das Anerbiethen des Vaters annehmen, und nicht auf die Vorstellungen ihrer Schwestern achten. „Sie kann ja wieder mit mir nach Wien kommen,“ setzte der Vater hinzu.
Nun kommt die Heimreise.
Ein Bekannter aus Weiler, der ebenso wie Haas seiner Ahasverusartigen Herumzieherei wegen bekannt war, hatte in einer Vorstadt eine Ladung Branntwein gekauft, um diese nach Weiler zu führen.
Auf einem sogenannten Leiterwagen lagen zwei ungeheure Branttweinfässer, auf welchem nun Herr Heim, so hiess der Mann, mit seiner Frau, fünf schlimmen Buben, Seferle und deren Vater die neunzig Meilen zurückzulegen im Begriffe stand. Der letztere machte den Rosselenker, wofür er auf so angenehme Weise umsonst nach Hause kommen konnte.
Wohl waren der Stosseufzer viele, die es Seferle herauspresste, oft sog sie vor neben dem Wagen zu marschiren, wenn der Körper schon längere Zeit auf so unsanfte Art hin und her geschüttelt worden war, doch der Gedanke an ihre Mutter söhnte si e einiger Massen mit dem polternden Fuhrwerk aus. Die Buben purzelten inzwischen hinter ihrem Sitze über die Fässer, da – es war gerade ein abschüssiger Hügel, sah sie, wie der ältere Knabe einen Fehltritt machte, und rücklings vom Wagen hinabstürzte. Ein Schrei – sie hatte nicht mehr die Zeit, dem Vater ein Halt zuzurufen – das Rad war dem Armen bereits über beide Beine gefahren.
Ein Aufenthalt von mehreren Wochen war die Folge davon, man kann sich denken, wie lang die Karawane brauchte, bis sie Weiler erreichte.
Schon von ferne pochte Seferle das Herz, als sie den wohlbekannten grünen Kirchthurm unverändert in die Lüfte ragen sah; dann kamen andere Gedanken, die von der Eitelkeit zeigten, die allen Mädchen in diesem Alter anzuheften pflegt.
„Ich werde,“ sagte die kindische Kleine zu sich, „Aufsehen zu Hause machen, wenn ich mit meinen städtischen Kleidern ankomme, wie werden mich die Leute angaffen und bewundern, und meine veränderte Sprache anhören.“
Dieses war auch in der That der Fall, das ärmliche Dorfkind kam als Stadtjüngferchen mit Stöckelschuhen, langem Kleide und frisirten Haar zurück.
„Gucket, gucket!“ sagten Sonntags in der Kirche zu Weiler die ältern Mädchen zueinander, und stiegen auf die Bänke, um besser sehen zu können, „gucket, mit sidene Bändle und silberne Schnalle hat sie ihre Schuhe verzierathat.“ Der Neid blendete ihre Augen, und liess Stahl für Silber, Wolle für Seide schauen. – Einige Zeit gefiel der kleinen Eitlen dieses Bewundern ihrer selbst von denen, die sie früher verachteten, bald jedoch stellte sich bei dem schon an bessere Arbeit gewöhnten Mädchen die Langeweile ein, nebstdem kamen ihr die Dorfleute in Vergleiche mit den Städtern unbehülflich, ungeschickt, dumm vor; als sie einst erzählte, in Wien gäbe es 3 bis 4 Stock hohe Häuser, lachten ihr ihre Zuhörer ungläubig in’s Gesicht.
So sehnte sie sich weiter nach einer Arbeit, die mehr den Geist beansprucht, als Flachs spinnen und Kartoffel klauben.
Frühere Jahre hatte sie mit ihren Schwestern zu Weihnachten und Neujahr im Pfarrhause und den reicheren Gehöften geistliche und weltliche Lieder gesungen, und mit ihrer frischen Stimme die Zuhörer entzückt, was manche blanke Silbermünze eintrug, jetzt fehlten aber die zweiten Stimmen, und so hatte Seferle nur den einen Wunsch, bald wieder nach Wien zu kommen, und erwartete mit Ungeduld die Rückkunft des Vaters.


wird fortgesetzt
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Lesen - Was ist das

Über das Lesen haben berufenere Leute als ich bereits deutliche Worte gefunden. Ein Blogger hat sich die Mühe gemacht, Hermann Hesses Text über das Lesen ins Internet zu stellen.
Wer den Text nicht kennt, sollte ihn einmal lesen, egal, wie er sonst über Hesse denkt.
Mein Vater hat mir einmal gesagt, das Lesen ein Verschwendung ist. Eine Verschwendung an Leben. Diese Aussage könnte leicht missverstanden werden. Wurde sie aber von mir nicht, weil ich ja wusste, wie viel mein Vater gelesen hatte. Und nicht nur einfach gelesen. Manchmal schrieb er auch Leserbriefe und die Antwort eines berühmten Autors, Heimito von Doderer, ist bezeichnend, wie intensiv mein Vater gelesen hat. In einem Antwortbrief schrieb Doderer: "Selten erfährt ein Autor das Glück, sich von seinem Leser so verstanden zu wissen."
Was hat mein Vater also gemeint? Er hat das auch in der Folge erklärt. Durch das Lesen kann man sich verlieren, man kann versäumen, das richtige Leben zu leben, schlichtweg zu leben. Denn Lesen kann zur Droge werden.
Und so, wie es Kettenraucher gibt, die 95 werden, und Weinbauern, die mit 80 noch ihren täglichen Liter Wein genießen, so wie es eine ganze Reihe von alten Menschen gibt, die sich nur einseitig ernähren, so kann man auch das Lesen wie eine Droge genießen, ohne dass man sich deswegen dem Leben versagen muss.
Während man aber beim Abstinenzler nicht unbedingt Mangelerscheinungen feststellen wird, stellt man schon manchmal überrascht fest, dass jemand Lungenkrebs bekommt, obwohl er nicht geraucht hat. Neben dem Passivrauchen gibt es ja auch noch andere verursachende Faktoren.
Vielleicht sollte man das Lesen daher besser mit der Milch vergleichen. Während die Milch für das Kind eine ganze Reihe wertvoller Ingredienzien mitbringt, kann sie für den Erwachsenen sogar schädlich sein. Ganze Menschengruppen vertragen sie nicht einmal.

Warum, und in welchem Alter, sollte der Mensch nun das Lesen brauchen?
Die Antwort ist: ziemlich früh. Zuerst in passiver Form des vorgelesen Bekommens, danach möglichst rasch in aktiver Form des selber Lesens.
Das Lesen ist der Schlüssel und die Nährsubstanz für die Fantasie. Die Fantasie kommt in unterschiedlichen Ausprägungen daher. Fabulieren, Tagträumen, Vorstellungsvermögen, Empathie und Verständnis, Verständnis und Einfühlungsvermögen in andere Menschen. Es gibt auch negative Aspekte wie Albträume, allgemeine Paranoia, die in gemäßigter Form vielleicht für das Überleben notwendig ist.
Die positiven Aspekte überwiegen allerdings.
Jetzt ist die Fantasie aber etwas, was vom Leser aus dem Inneren erbracht werden muss. Das Lesen ist Erfahren von äußeren "Tatsachen" (gilt auch für Märchen). Um diesen Erfahrungsprozess durchleben zu können, muss ich in der Lage sein, selbst das Tempo zu bestimmen. Wird mir vorgelesen, moniere ich "das kenn ich schon" oder "noch einmal, ich möchte das noch einmal hören". Ich mache das, um das Tempo des Vorlesenden dem Zeitmaß meiner Vorstellungswelt anzupassen.
Wenn ich dann einmal selbst lesen kann, bestimme ich das Tempo ohnehin selbst.
Das ist der große Unterschied, den das Lesen zu allen anderen Arten der Aufnahme neuer Inhalte hat. Die notwendige Menge an Zeit bestimme ich selbst. Dadurch können meine Gedanken bei jedem Satz schweifen und neue Assoziationen bilden, ich kann mich zu einem gestaltenden Menschen entwickeln.
Jetzt höre ich schon die Argumente, dass es auch Musiker gibt, die keine Noten lesen können. Ja, das stimmt. Ich selbst habe einmal einen berühmten und auch sehr berühmten Musiker in Manila (del Rosario) kennengelernt, der mir erzählt hat, dass er nicht Noten lesen kann. Ähnliches lässt sich sicher auch bei Malern als Gegenbeispiel anführen. Die Frage ist nur, wie schreibe ich eine Symphonie ohne auf Noten zurück zu greifen. Ich kann mir auch vorstellen, dass es berühmte Köche gibt, die nie ein Kochbuch gelesen haben, doch wieviele Menschen können ohne Kochbuch kochen?
Kommen wir zurück zum Lesen. Brauche ich bewusstseinserweiternde Drogen, wenn ich wirklich lesen kann? (Das ist ein anderes Thema, das ich jetzt hier nicht weiter ausführe.)
Lesen kann durch vielerlei ersetzt werden, aber vermutlich sind alle anderen Erfahrungsmaßnahmen entweder sehr zeitaufwändig, gefährlich oder vielleicht sogar unethisch. Ist es notwendig, jemanden umzubringen, um sich in die Situation zu versetzen, ob man sich danach schuldig fühlen soll, muss oder überhaupt kann?

Lesen ist überbewertet! So, wie auch die Mathematik! So, wie viele andere Dinge überwertet sind, wieviel PS mein Auto hat, nicht wahr?
So viele Dinge sind überbewertet. Menschenleben, Menschenwürde, Armut (die ist vielleicht unterbewertet) und so fort. Wie soll denn jemand überhaupt mit einem Armen Mitleid empfinden, wenn er nicht die Welt des Armen kennt. Wenn er nur den Bettler kennt, von dem er annimmt, dass er zu einer organisierten ausländischen Bande gehört.
Wie soll den jemand erkennen, dass er im Krieg genau auf die Person schießt, die möglicherweise genauso gut sein Nachbar hätte sein können?
Wie soll jemand verspüren, dass ein Bruderkrieg noch eine Spur gemeiner ist - und unheilbare Narben hinterlässt - als "der normale Krieg", bei dem man dann halt einmal zwei Atombomberln abwirft, um ihn zu beenden?
Natürlich ist es möglich, sich das alles erzählen zu lassen - in der Schule - oder das einmal in Filmen geschildert zu bekommen, wobei dort fast immer die Liebesgeschichte der unzureichende Träger ist, damit überhaupt Emotionen geweckt werden.
Wenn die Vorstellungskraft eines Menschen einmal verkümmert ist, helfen alle anderen Darstellungen nichts mehr.
Es gibt eine Ausnahme: es gibt Menschen, die sich sowieso nicht unserer Zeit anpassen, Menschen, die einfach der Natur verbunden sind, Menschen aus anderen Kulturkreisen, die wir als zurückgeblieben ansehen. Menschen, die komischerweise sehr viel Mitgefühl entwickeln können. (Die Erklärung ist einfach: die Leute lesen vielleicht nicht, aber ihnen wurden jede Menge von Geschichten, Sagen, Mythen in ihrer Kindheit eingetrichtert. Zwar auswendig überliefert, aber ganz in Vertretung des Vorlesens.)
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Für uns andere, die wir in unsere Zeit geboren sind, ist für die große Mehrzahl von uns das Lesen die Eintrittskarte in das Gebiet der Fantasie. Wer sich da einmal wirklich austoben möchte, sollte das Buch von Michael Ende die unendliche Geschichte
lesen.
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Falls es noch nicht klar ist: die zeitliche Eigenbestimmung ist es, was das Lesen sämtlichen anderen Erfahrensmöglichkeiten voraus hat. Deswegen ist der Fernseher als Babysitterersatz mit noch zu entzückenden Tierfilmen kontraproduktiv, wenn er zu einem Zeitpunkt verwendet wird, bevor das Kind lesen kann oder entsprechend viele Geschichten vorgelesen bekommen hat.
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Aber es mag sein, dass ich die Fantasie, das Vorstellungsvermögen überbewerte. Allerdings werden wir ohne Vorstellungsvermögen, dass es auch anders funktionieren kann, kaum eine Verbesserung der derzeitigen Zustände erreichen können.
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Mathematik ist natürlich genauso überflüssig wie Lesen!
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Was Österreich weiss

Das Blatt weiss ja im Allgemeinen schon einen Tag früher, bevor etwas passiert. Da ich allerdings das Blatt nicht einmal fladere, (ich lese es nur dann, wenn ich ein Exemplar neben mir auf dem U-Bahnsitz vorfinde) hätte ich auch nicht wissen können, dass der Zug, auf den ich 25 Minuten gewartet habe, (der Zug hatte Verspätung, der davor nicht, welcher mir vor der Nase davon gefahren ist) nicht bis Gänserndorf sondern nur bis Liesing fährt. Irgendwo scheint ein Lastwagen auf der Bahnstrecke zwischen Liesing und Meidlung zu liegen.
Das ist nun traurig, aber solche Dinge passieren halt.
Was vermeidbar wäre, ist die Umstellung des Ticket-Einkaufs übers Handy. Es ist mir als nicht unbedingt IT-feindlichem Benutzer unmöglich, eine Handlung zu wiederholen, die ich schon Jahre zuvor recht locker handhaben konnte. Ein Ticket von Brunn nach Liesing, Vorteilskarte. Ein Anruf bei 051717 ergab, dass letzte Woche ein e-Mail hereingekommen war, wo die neue Syntax beschrieben ist. Gleichzeitig wird betont, dass das Antreffen ohne Fahrkarte eine gehörige Geldbuße nach sich ziehen kann.
Was ich über ÖBB-interne Umstellungen erfahren habe, lässt mich keinesfalls hoffen, dass sich da in naher Zukunft viel ändern wird.
Aber in Zukunft werde ich das Österreich-Magazin doch bereits am Sonntag aufmerksam lesen, um zu wissen, ob meine öffentliche Zugverbindung auch tatsächlich zustande kommt.
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abohn - 25. Apr, 15:30
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lamamma - 27. Mär, 12:44
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Ich bin wirkliich überrascht, dass gerade Du lamentierst....
lamamma - 26. Mär, 15:30
Wobei nähen sich ja viel...
Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
Schwallhalla - 26. Feb, 10:30

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