Mit Paul Badura-Skoda hatte ich mehrere Zusammentreffen.
Ich zähle auf:
1) er sucht Flügel für japanische Kunden aus. Dabei musste ich anwesend sein, weil es ja meine Kunden waren. Das waren immer wieder kehrende Ereignisse, die mich sehr freuten, obwohl ich damals noch keine wirkliche Beziehung zu ihm hatte.
2) Einmal musste er bei Bösendorfer warten und ich fragte ihn, wie man bestimmte Verzierungen bei Bach's Goldbergvariationen zu spielen hätte. Er sah mich fast ein bisschen indigniert an und meinte: "Kennen Sie denn mein Buch nicht?" Damals kannte ich es nicht, mittlerweile liegt es in greifbarer Entfernung vom Flügel.
3) "vom Flügel" ! Tatsächlich hatte er damals schon ein bisschen Vertrauen zu mir gefasst und fragte mich eines Tages, wie denn das in Japan sei. Sie sollten doch auch so an gebrachten Flügeln interessiert sein. Ob ich im bei Verkauf helfen könnte. Das hätte ich schon gekonnt, aber zuerst wollte ich mir den Flügel einmal ansehen. Kein Problem, der Flügel war gerade überholt worden und stünde im 5. Stock in der Firma. Also kletterten wir in den 5. Stock eines Gebäudes, dass später abgerissen wurde. Trotz Denkmalschutz für ein ehemaliges Kloster mit Kreuzgängen. Oben setzte er sich an den Flügel und spielte die ersten Passagen des 2. Klavierkonzerts von Brahms an.
Ich verliebte mich sofort in den Flügel (Baujahr 1914) und wollte ihn für mich haben. Ein bisschen musste ich feilschen und die Bezahlung auf drei nicht gerade kleine Raten aufteilen. Ich argumentierte, dass der Flügel doch in Wien bleiben würde und er sicher sein könnte, dass er gut betreut würde.
Ich glaube, dass er es ernst gemeint hat, als er Freude über meine Absicht erkannte. Ich habe den damaligen Entschluss nie bereut.
4) Für eine Großveranstaltung in St. Petersburg, die der Geldbeschaffung für Renovierungsarbeiten diente, war er einer der bedeutendsten Künstler, die beim 24 Stunden-Marathon auftraten. Ich stand mit ihm auf der Bühne, weil ich ja den Imperial für die Veranstaltung bereitgestellt hatte. (Eine eigene Geschichte, die man in einem (russischen) Roman erzählen sollte.
5) Als er erfuhr, dass ich auch Schach spielte, lud er mich zu sich in Neustift ein, wo in einem zweiten Haus seine Klaviersammlung untergebracht war. Ich durfte auch auf einem "Mozart-Flügel" spielen, der vielleicht nicht von Mozart bespielt worden war, aber die notwendigen Zusatzpedale hatte, mit denen man erst den türkischen Marsch richtig spielen konnte. Die zusätzlichen Pedale wurden beispielsweise mit dem Knie bedient, dass nach oben gegen den Klavierkörper gedrückt wurde.
Wir spielten Schach miteinander und es war ein sehr gemütlicher Nachmittag.
6) Paul war in Südamerika gewesen, bei einer Umweltkonferenz. Dort entstand eine CD, die von Bösendorfer als Weihnachtsgeschenkt versendet wurde. Um die Autogramme auf die CD zu bekommen, besuche ich den Künstler in seinem Unterrichtszimmer in der Musikakademie. Während er die CDs signierte, unterhielt er sich auch leise mit mir. Eine Japanerin spielte eine ganze Beethovensonate. Als sie fertig war, kommentierte er ihr Spiel mit einer solchen Genauigkeit, dass mir der Mund offen blieb, was er alles so nebenbei bemerkt hatte.
7) Vor einem meiner letzten Geburtstagskonzerte bat ich ihn, mir ein paar Klavierstunden zu geben. Er war gerade in Wien vor einer Parisreise. Deswegen wurden es nur drei. Er reichte mich aber an Maria Walzer weiter, die mir in einer Doppelstunde ganz wertvolle Hinweise auf Pausen und agogische Spielweisen bei Mussorgsky gabn. (Sie bekam dann ein fünftes Kind und es gab leider keine Fortsetzung.)
8) Bei einem seiner letzten, nicht dem letzten Konzerte war ich noch dabei. Er spielte vor der Pause die chromatische Fantasie und Fuge von Bach und danach die Waldsteinsonate.
9) ich las vor wenigen Wochen Fake News, die berichteten, dass er schon gestorben wäre.
10) Heute bewahrheiteten sich die Fake News, 10 Tage vor seinem 92. Geburtstag.
Wie ich schon einmal zu einem anderen Anlass geschrieben habe. Eigentlich mag er vielleicht gestorben sein, aber tot ist er nicht. Er wird für immer in meiner - und vermutlich auch in der anderer Menschen - in Erinnerung bleiben und in einigen Klavierstücken auch weiter wohnen.
R.I.P.
steppenhund - 26. Sep, 17:47
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