Nicht gescheit, aber belesen :)
Von meinem vermutlich 8. Lebensjahr bis zum 40. habe ich im Durchschnitt mehr als ein Buch pro Tag gelesen.
Mit 8 Jahren war es nur ein Buch pro Tag, ca. 600 Seiten Dünndruck Karl May. Ich bekam das von einem Freund geborgt, als ich krank war. Später waren es dann zwei, mit einem Ausnahmejahr, nämlich dem Austauschjahr in den USA. Da gab es zu viel andere Eindrücke. Aber in Wien zurückgekehrt waren es dann wieder zwei Stundn Lesen pro Tag. Als ich studierte wurde ich ungefähr folgender Statistik gerecht. Eine Stunde Fachliteratur, eine Stunde Belletristik. Eine Stunde lesen war in deutsch, die andere in englisch, wobei das weder von den Büchern noch von der Art der Bücher abhängig war. Pornografie habe ich auf holländisch gelesen, da war es egal ob ich ein Wort einmal nicht verstand. Der Kontext hat die Verständlichkeit gefördert. Aber diese Literatur lasse ich nicht in die generelle statistische Erhebung einfließen. So viel war es dann ja auch nicht.
In den letzten Jahren war das Lesen für mich anstrengender. Vermutlich brauche ich eine Brille, aber irgendwie lese ich mit Brille auch nicht viel besser und die Müdigkeit stellt sich trotzdem ein.
Aber jetzt zu meinem 68. Geburtstag habe ich sechs Bücher geschenkt bekommen, die ich alle gleichzeitig lese. Zu verschiedenen Tageszeiten, je nach momentaner Aufnahmefähigkeit und Lust am Lesen.
Eines habe ich schon weiterempfohlen: "Der schwarze Tiger" von Hans Stösser. Das ist eher Dokumentation, politisch, wirtschaftlich, faszinierend zu lesen. Es ist über die Entwicklung der Wirtschaft in Afrika. Hätte mich überhaupt nicht interessiert. Da ich aber einen Vortrag vom Autor gehört habe, hat sich ein neues Interessensgebiet erschlossen.
Zwei Bücher sind auf englisch: "Sail of Hope" von Nikola Malovic und "The Fortress" von Nesa Selimovic. Beides sind ziemliche, historisch schwerlastige Wälzer. Seit mir Ivo Andric so gut gefallen hat, spreche ich auf diese Bücher an.
Mein Sohn hat mir einen Wunsch erfüllt und mir "Maschinen wie ich" von Ian Mc Ewan geschenkt. Ich habe es angefangen zu lesen, aber von den ersten Seiten bin ich enttäuscht. Da ist zu viel Allgemein-Wischiwaschi als Einführung und es gibt das, wogegen ich selbst argumentiere: eine absolute Anthropozentrik. Aber ich werde es natürlich ganz lesen und dann vielleicht erst ein abschließendes Urteil abgeben.
Von meinem Sohn habe ich aber noch ein anderes Buch geborgt bekommen, das er selbst noch gar nicht gelesen hat, obwohl er es für sich gekauft hat. "Selbstbildnis mit russischem Klavier" von Wolf Wondratschek. Ich habe mich gewundert, woher der Autor relativ tiefe Einsichten in die Gedankenwelt eines Pianisten bekommen hat. Ich habe aber beim Recherchieren erfahren, dass er mit Heinrich Schiff, einem berühmten Cellisten, sehr gut befreundet war. Und ebenfalls dürfte er mit Leonskaya befreundet sein. Also dieses Buch lese ich vergleichweise langsam mit großem Genuss.
Gestern trudelte noch das sechste Buch ein: "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Yuval Noah Harari. Ein zweites Buch vom selben Autor hatte ich früher meiner Frau geschenkt "Homo Deus", das habe ich aber selbst noch nicht gelesen. Möglicherweise mache ich mich im Anschluss daran.
Alle Bücher sind so "spannend", dass ich sie nicht der Reihenfolge nach lese, sondern mehr oder weniger gleichzeitig, Das ist eine neue Erfahrung für mich. Aber bis jetzt keine schlechte.
Soweit ich bis jetzt sehen kann, ist jedes Buch empfehlenswert, mit Ausnahme vielleicht Ian Mc Ewan, den ich als Autor aber sonst durchaus schätze. Und serbische und montenegrinische Geschichte, bzw. bosnische, wird auch nicht alle so interessieren.
Für Musikbegeisterte sollte aber der Wondratschek gut zu lesen sein.
Mit 8 Jahren war es nur ein Buch pro Tag, ca. 600 Seiten Dünndruck Karl May. Ich bekam das von einem Freund geborgt, als ich krank war. Später waren es dann zwei, mit einem Ausnahmejahr, nämlich dem Austauschjahr in den USA. Da gab es zu viel andere Eindrücke. Aber in Wien zurückgekehrt waren es dann wieder zwei Stundn Lesen pro Tag. Als ich studierte wurde ich ungefähr folgender Statistik gerecht. Eine Stunde Fachliteratur, eine Stunde Belletristik. Eine Stunde lesen war in deutsch, die andere in englisch, wobei das weder von den Büchern noch von der Art der Bücher abhängig war. Pornografie habe ich auf holländisch gelesen, da war es egal ob ich ein Wort einmal nicht verstand. Der Kontext hat die Verständlichkeit gefördert. Aber diese Literatur lasse ich nicht in die generelle statistische Erhebung einfließen. So viel war es dann ja auch nicht.
In den letzten Jahren war das Lesen für mich anstrengender. Vermutlich brauche ich eine Brille, aber irgendwie lese ich mit Brille auch nicht viel besser und die Müdigkeit stellt sich trotzdem ein.
Aber jetzt zu meinem 68. Geburtstag habe ich sechs Bücher geschenkt bekommen, die ich alle gleichzeitig lese. Zu verschiedenen Tageszeiten, je nach momentaner Aufnahmefähigkeit und Lust am Lesen.
Eines habe ich schon weiterempfohlen: "Der schwarze Tiger" von Hans Stösser. Das ist eher Dokumentation, politisch, wirtschaftlich, faszinierend zu lesen. Es ist über die Entwicklung der Wirtschaft in Afrika. Hätte mich überhaupt nicht interessiert. Da ich aber einen Vortrag vom Autor gehört habe, hat sich ein neues Interessensgebiet erschlossen.
Zwei Bücher sind auf englisch: "Sail of Hope" von Nikola Malovic und "The Fortress" von Nesa Selimovic. Beides sind ziemliche, historisch schwerlastige Wälzer. Seit mir Ivo Andric so gut gefallen hat, spreche ich auf diese Bücher an.
Mein Sohn hat mir einen Wunsch erfüllt und mir "Maschinen wie ich" von Ian Mc Ewan geschenkt. Ich habe es angefangen zu lesen, aber von den ersten Seiten bin ich enttäuscht. Da ist zu viel Allgemein-Wischiwaschi als Einführung und es gibt das, wogegen ich selbst argumentiere: eine absolute Anthropozentrik. Aber ich werde es natürlich ganz lesen und dann vielleicht erst ein abschließendes Urteil abgeben.
Von meinem Sohn habe ich aber noch ein anderes Buch geborgt bekommen, das er selbst noch gar nicht gelesen hat, obwohl er es für sich gekauft hat. "Selbstbildnis mit russischem Klavier" von Wolf Wondratschek. Ich habe mich gewundert, woher der Autor relativ tiefe Einsichten in die Gedankenwelt eines Pianisten bekommen hat. Ich habe aber beim Recherchieren erfahren, dass er mit Heinrich Schiff, einem berühmten Cellisten, sehr gut befreundet war. Und ebenfalls dürfte er mit Leonskaya befreundet sein. Also dieses Buch lese ich vergleichweise langsam mit großem Genuss.
Gestern trudelte noch das sechste Buch ein: "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Yuval Noah Harari. Ein zweites Buch vom selben Autor hatte ich früher meiner Frau geschenkt "Homo Deus", das habe ich aber selbst noch nicht gelesen. Möglicherweise mache ich mich im Anschluss daran.
Alle Bücher sind so "spannend", dass ich sie nicht der Reihenfolge nach lese, sondern mehr oder weniger gleichzeitig, Das ist eine neue Erfahrung für mich. Aber bis jetzt keine schlechte.
Soweit ich bis jetzt sehen kann, ist jedes Buch empfehlenswert, mit Ausnahme vielleicht Ian Mc Ewan, den ich als Autor aber sonst durchaus schätze. Und serbische und montenegrinische Geschichte, bzw. bosnische, wird auch nicht alle so interessieren.
Für Musikbegeisterte sollte aber der Wondratschek gut zu lesen sein.
steppenhund - 29. Jul, 19:53
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iGing - 29. Jul, 20:04
Wie haben Sie mit 8 Jahren 600 Seiten an einem Tag gelesen? Sozusagen im Hüpf-Verfahren ... nur die Dialoge ... und die Landschaftsbeschreibungen (die bei Karl May ja sehr ausführlich ausfallen) sowieso übersprungen ... ?
steppenhund - 29. Jul, 23:46
Gehüpft bin ich sicher. Wie Sie richtig schreiben. Lange Beschreibungen habe ich quer gelesen, aber an den Wettkampf zwischen Old Shatterhand und Winnetou, an Intschu Tschuna und Nscho Tschi kann ich mich noch gut erinnern. Z.B. an das Tauchmanöver, das Winnetou so überrascht hat. Solche Stellen habe ich ganz langsam gelesen und dann noch einmal wiederholt :)
bloedbabbler - 29. Jul, 22:41
Sehr beeindruckend...
..., sie müssen ein deutlich schnellerer Leser sein, als ich es je war. Wobei ich in 1 bis 2 Stunden, glaube ich, bisher noch kein Buch ausgelesen habe; Disneys Lustige Taschenbücher mal außen vor. ;-)
Es gab mal einen wunderbaren Film mit Tom Conti, der im Original "Ruben, Ruben", im deutschen "Poeten küsst man nicht!" betitelt war; leider wurde der seit den frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht mehr im TV gezeigt und es gibt ihn auch nicht auf DVD und Konsorten.
Darin -so viel sei verraten- tingelt ein versoffener Poet über die Dörfer und reißt erotische Schneisen in seine weibliche Hörerschaft, so weit, so Klischee. Warum ich das erwähne ist, ein Geschäftsmann erzählt, sein Junge der in der Buchhaltung oder Statistik des Unternehmens arbeitet, habe einen Kurs im Schnelllesen gemacht und könne nun in 1 Stunde Krieg und Frieden lesen. Darauf erwidert der Poet sinngemäß: "Dann liest er Krieg und Frieden aber wie seine Zahlenkolonnen mit Dünger und Futterzahlen." Er hingegen, also der Poet, würde jedoch alles daran geben so langsam wie möglich ein Buch wie Krieg und Frieden zu lesen, um die Stimmungen möglichst intensiv aufzunehmen und die Freude daran zu verlängern.
Ich denke, ein Mittelweg dabei ist gut. :-)
Es gab mal einen wunderbaren Film mit Tom Conti, der im Original "Ruben, Ruben", im deutschen "Poeten küsst man nicht!" betitelt war; leider wurde der seit den frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht mehr im TV gezeigt und es gibt ihn auch nicht auf DVD und Konsorten.
Darin -so viel sei verraten- tingelt ein versoffener Poet über die Dörfer und reißt erotische Schneisen in seine weibliche Hörerschaft, so weit, so Klischee. Warum ich das erwähne ist, ein Geschäftsmann erzählt, sein Junge der in der Buchhaltung oder Statistik des Unternehmens arbeitet, habe einen Kurs im Schnelllesen gemacht und könne nun in 1 Stunde Krieg und Frieden lesen. Darauf erwidert der Poet sinngemäß: "Dann liest er Krieg und Frieden aber wie seine Zahlenkolonnen mit Dünger und Futterzahlen." Er hingegen, also der Poet, würde jedoch alles daran geben so langsam wie möglich ein Buch wie Krieg und Frieden zu lesen, um die Stimmungen möglichst intensiv aufzunehmen und die Freude daran zu verlängern.
Ich denke, ein Mittelweg dabei ist gut. :-)
steppenhund - 29. Jul, 23:24
Sie haben vollkommen Recht mit ihrem Beispiel
Die Geschichte mit dem Poeten "Ruben, Ruben" kannte ich nicht. Aber im Alter von ungefähr 20 Jahren las ich jede Menge Hermann Hesse. Nicht nur alle Romane, sondern auch seine Briefe. In denen antwortete er z.B. auf die Vorwürfe von Eltern, die ihm die Schuld gaben, dass sich ihre Kinder am Steppenwolf ausgerichtet hatten.
Ich kann den Text nicht mehr finden. Im Internet finde ich nur http://www.buecherlei.de/fab/hesse/uelesen.htm
Aber in dem von mir gelesenen Text gab es den Unterschied zwischen drei verschiedenen Lesegeschwindigkeiten. Und der Text erzeugte bei mir ein schlechtes Gewissen. Ich zwang mich dann dazu, bestimmte Bücher langsamer zu lesen.
Und die Strudlhofstiege habe ich sehr langsam gelesen und dafür aber mindestens fünf Mal. Und Master und Margerita habe ich auf deutsch mindestens 10 mal gelesen, auf englisch vielleicht dreimal und auszugsweise auf russisch einmal. Das konnte ich aber nur durch Erraten der einzelnen Passagen. Nicht einmal unsere russische Dolmetscherin konnte mir die Phrasen richtig übersetzen.
Bei Sachbüchern bin ich sehr schnell. Nicht beim ersten Buch. Aber wenn ich über das gleiche Thema noch ein anderes Buch lese, lese ich nur im Differenzialverfahren. (meine Bezeichnung) Ich lese nur dort langsam, wo ich etwas für mich Neues erkennen kann.
Wenn ich aber z.B. etwas über Quantencomputing lese, brauche ich auch eine Stunde für zehn Seiten.
Wenn ich heute Homer lesen würde, wäre ich ganz langsam. Leider kann ich nicht Griechisch. Dann wäre der Genuss noch größer.
Ich kann den Text nicht mehr finden. Im Internet finde ich nur http://www.buecherlei.de/fab/hesse/uelesen.htm
Aber in dem von mir gelesenen Text gab es den Unterschied zwischen drei verschiedenen Lesegeschwindigkeiten. Und der Text erzeugte bei mir ein schlechtes Gewissen. Ich zwang mich dann dazu, bestimmte Bücher langsamer zu lesen.
Und die Strudlhofstiege habe ich sehr langsam gelesen und dafür aber mindestens fünf Mal. Und Master und Margerita habe ich auf deutsch mindestens 10 mal gelesen, auf englisch vielleicht dreimal und auszugsweise auf russisch einmal. Das konnte ich aber nur durch Erraten der einzelnen Passagen. Nicht einmal unsere russische Dolmetscherin konnte mir die Phrasen richtig übersetzen.
Bei Sachbüchern bin ich sehr schnell. Nicht beim ersten Buch. Aber wenn ich über das gleiche Thema noch ein anderes Buch lese, lese ich nur im Differenzialverfahren. (meine Bezeichnung) Ich lese nur dort langsam, wo ich etwas für mich Neues erkennen kann.
Wenn ich aber z.B. etwas über Quantencomputing lese, brauche ich auch eine Stunde für zehn Seiten.
Wenn ich heute Homer lesen würde, wäre ich ganz langsam. Leider kann ich nicht Griechisch. Dann wäre der Genuss noch größer.
steppenhund - 29. Jul, 23:11
an iGing
Das mit dem Schnell-Lesen kann ich nur so erklären.
Teilweise beruhen meine Aussagen auf Erzählungen meines Vaters.
Während des ersten Schuljahrs der Volksschule übersiedelte meine Familie von Linz nach Wien.
Meine Volksschullehrerin in Linz war sehr jung und auch sehr streng. Und sie brachte neue Ideen in den Schreib-und Leseunterricht. Sie unterrichtete nach der Ganzheitsmethode, auch Ganzlernmethode genannt. Davon hatte ich keine Ahnung. Erst 50 Jahre später habe ich mich dafür interessiert und gelesen, dass die Methode gleichermaßen befürwortet und ihr widersprochen wird.
Jedenfalls wurde ich in Wien neu eingeschult. Mein Vater erzählte meiner Klassenlehrerin, dass ich in Linz wohl nach der Methode unterrichtet worden war. Die schlug die Hände über dem Kopf zusammen und meinte: der arme Bub. Aber wir werden das schon hinbekommen. Er bleibt halt nach dem Unterricht zum Nachsitzen in der Schule, um nach "unserer" Methode zu lernen.
Am ersten Schultag sollte ich erst eine Stunde später nach Hause kommen, war aber bereits nach einer halben Stunde zuhause. Meine Mutter fragte mich, was den los sei. Originalaussage meiner Mutter und meines Vaters, ich soll gesagt haben: "Die Frau Lehrerin hat gesagt, ich kann schon alles."
Dazu gibt es jetzt noch kleine Details. Ich habe betont, dass die Lehrerin in Linz sehr streng, aber auch sehr ehrgeizig war. Die Strenge wird durch einen Vorfall belegt, dass sie mich am letzten Schultag in Linz nachsitzen lassen wollte, weil ich geschwätzt hatte. Sie wusste, dass ich am Nachmittag nach Wien fahren würde. Trotzdem behielt sich mich in der Schule. Schon ganz schön eigenartig. Was hier nichts zur Sache tut: der Zug von Linz nach Wien benötigte damals 4 Stunden, nicht 1h10 Minuten wie heute.
Als ich in Linz in die Schule kam, konnte ich schon lesen. Ich war zwar ein "Später", der erst mit vier Jahren zu sprechen begann, aber kurz darauf war das Lesen kein Problem. Klavierspiel startete dann mit fünfeinhalb Jahren.
Ich hatte nicht das Gefühl besonders schnell zu lesen. Aber es war wohl das Result des Unterrichts der ersten vier Monate in der Schule. Ich sage nicht, dass es unbedingt etwas Großartiges war, und ich habe mir nie etwas darauf eingebildet.
Ich habe allerdings dann schmerzlich erfahren, dass ich anderen Sprachen viel langsamer lese. Nicht in English, aber in Französisch und speziell Russisch musste ich wirklich "buchstabenweise" lesen.
Über die Lesegeschwindigkeit schreibe ich noch in meiner Antwort an bloedbabbler.
Teilweise beruhen meine Aussagen auf Erzählungen meines Vaters.
Während des ersten Schuljahrs der Volksschule übersiedelte meine Familie von Linz nach Wien.
Meine Volksschullehrerin in Linz war sehr jung und auch sehr streng. Und sie brachte neue Ideen in den Schreib-und Leseunterricht. Sie unterrichtete nach der Ganzheitsmethode, auch Ganzlernmethode genannt. Davon hatte ich keine Ahnung. Erst 50 Jahre später habe ich mich dafür interessiert und gelesen, dass die Methode gleichermaßen befürwortet und ihr widersprochen wird.
Jedenfalls wurde ich in Wien neu eingeschult. Mein Vater erzählte meiner Klassenlehrerin, dass ich in Linz wohl nach der Methode unterrichtet worden war. Die schlug die Hände über dem Kopf zusammen und meinte: der arme Bub. Aber wir werden das schon hinbekommen. Er bleibt halt nach dem Unterricht zum Nachsitzen in der Schule, um nach "unserer" Methode zu lernen.
Am ersten Schultag sollte ich erst eine Stunde später nach Hause kommen, war aber bereits nach einer halben Stunde zuhause. Meine Mutter fragte mich, was den los sei. Originalaussage meiner Mutter und meines Vaters, ich soll gesagt haben: "Die Frau Lehrerin hat gesagt, ich kann schon alles."
Dazu gibt es jetzt noch kleine Details. Ich habe betont, dass die Lehrerin in Linz sehr streng, aber auch sehr ehrgeizig war. Die Strenge wird durch einen Vorfall belegt, dass sie mich am letzten Schultag in Linz nachsitzen lassen wollte, weil ich geschwätzt hatte. Sie wusste, dass ich am Nachmittag nach Wien fahren würde. Trotzdem behielt sich mich in der Schule. Schon ganz schön eigenartig. Was hier nichts zur Sache tut: der Zug von Linz nach Wien benötigte damals 4 Stunden, nicht 1h10 Minuten wie heute.
Als ich in Linz in die Schule kam, konnte ich schon lesen. Ich war zwar ein "Später", der erst mit vier Jahren zu sprechen begann, aber kurz darauf war das Lesen kein Problem. Klavierspiel startete dann mit fünfeinhalb Jahren.
Ich hatte nicht das Gefühl besonders schnell zu lesen. Aber es war wohl das Result des Unterrichts der ersten vier Monate in der Schule. Ich sage nicht, dass es unbedingt etwas Großartiges war, und ich habe mir nie etwas darauf eingebildet.
Ich habe allerdings dann schmerzlich erfahren, dass ich anderen Sprachen viel langsamer lese. Nicht in English, aber in Französisch und speziell Russisch musste ich wirklich "buchstabenweise" lesen.
Über die Lesegeschwindigkeit schreibe ich noch in meiner Antwort an bloedbabbler.
iGing - 31. Jul, 15:55
Nun ja, natürlich kann man auf viele verschiedene Arten und in verschiedenen Geschwindigkeiten lesen, aber ein Buch, das ich nur überflogen habe, würde ich nie als von mir gelesen bezeichnen. Auch wenn ich vor Jahren viel schneller lesen konnte als heute, auch ganz Absätze auf einmal sinnerfassend aufnehmen konnte, so würde ich doch meinen: Um sagen zu können, ich habe ein Buch gelesen, muss ich mich doch zumindest eine ganze Weile "darin aufgehalten" haben - die Charaktere kennenlernen, und zwar genauso, wie der Autor sie aufbaut; die Handlung im Detail verfolgen, auch das, was nicht passiert, obwohl es passieren könnte; die sprachlichen Wendungen des Autors nachvollziehen ... Es gibt Bücher, wenn man die schnellliest, weiß man zwar auch, was drin vorkommt, aber ihren wirklichen Gehalt kann man so überhaupt nicht nachvollziehen (dazu gehört z.B. Kazuo Ishiguro, Alles was wir geben mussten).
steppenhund - 31. Jul, 20:30
Ich kann Ihnen durchaus beipflichten. Ich habe ja auch in einem anderen Kommentar schon über die drei Lesegeschwindigkeiten geschrieben, die ich bei Hermann Hesse gelesen und erfahren habe. Was ein "wirklicher Gehalt" ist, kann ich nicht ganz nachvollziehen.
Es gibt unterschiedliche Arten, wie eine sinnliche und eine literarische Erfahrung erlebt werden kann.
Als ich Doktor Schiwago las, auch eines der Bücher, die ich mindestens drei Mal "durchgearbeitet" habe, war ich total verärgert. Was im Film mit Omar Sharif gezeigt wurde, kommt im Buch auf netto 4 Seiten vor. De Rest ist malerische Untermalung. Im Buch hingegen lebt die Landschaft, alle Personen und die eigentliche Geschichte, die Dichotomie des Mannes zwischen seinem Beruf und seiner Kunst. Natürlich war ich hier wesentlich stärker betroffen, da ich ja auch viel andere russische Literatur gelesen hatte und sieben Nettomonate in der Sowjetunion verbracht hatte.
Es ist sehr interessant, dass Sie gerade Kazuo Ishiguro erwähnt haben. Hier trifft das gleiche Phänomen zu. Ich habe zufälligerweise vor wenigen Tagen den Film "Alles was wir geben mussten" gesehen. Ich war sehr beeindruckt von der "ruhigen" Schilderung. So eine Geschichte wirkt in mir nach, selbst wenn ich das Buch nur auf einmal gelesen habe. (Habe ich nicht, aber der Film hatte sonderbarerweise die gleiche Wirkung.) Die Geschichte wirkt bei mir Tage nach. Das zugrunde liegende Konzept war nicht neu für mich. Ich könnte vermutlich drei Science-Fiction Romane aufzählen, die die Klongeschichte mehr oder weniger gut behandeln.
Ich möchte damit einfach sagen, dass das Gelesene nicht einfach "weggelegt wird", wenn ich mit dem Buch durch bin. Es "arbeitet" weiter.
Jetzt gibt es zwei wesentliche Aspekte:
Erstens: meine Sprachbegabung im Deutschen ist nicht sonderlich gut, was das ästhetische Moment angeht. Das bedeutet, dass ich mich an stilistischen Details in der Regel nicht besonders erfreuen kann. Bei manchen Autoren schon, wie z.b. bei Doderer, aber das ist eher die Ausnahme.
Zweitens: bei Fachliteratur möchte ich natürlich schon das Wesentliche behalten. Und das erreiche ich auch in der Regel. Hier wird die Geschwindigkeit nur durch das Überlesen von Inhalten erreicht, die ich schon kenne. Ich nehme an, dass ich von einem Buch, welches 600 Seiten hat, nur ungefähr 80 genau durchlesen muss, um die wesentlichen Informationen zu behalten. Da brauche ich also nicht eintauchen :)
Es gibt unterschiedliche Arten, wie eine sinnliche und eine literarische Erfahrung erlebt werden kann.
Als ich Doktor Schiwago las, auch eines der Bücher, die ich mindestens drei Mal "durchgearbeitet" habe, war ich total verärgert. Was im Film mit Omar Sharif gezeigt wurde, kommt im Buch auf netto 4 Seiten vor. De Rest ist malerische Untermalung. Im Buch hingegen lebt die Landschaft, alle Personen und die eigentliche Geschichte, die Dichotomie des Mannes zwischen seinem Beruf und seiner Kunst. Natürlich war ich hier wesentlich stärker betroffen, da ich ja auch viel andere russische Literatur gelesen hatte und sieben Nettomonate in der Sowjetunion verbracht hatte.
Es ist sehr interessant, dass Sie gerade Kazuo Ishiguro erwähnt haben. Hier trifft das gleiche Phänomen zu. Ich habe zufälligerweise vor wenigen Tagen den Film "Alles was wir geben mussten" gesehen. Ich war sehr beeindruckt von der "ruhigen" Schilderung. So eine Geschichte wirkt in mir nach, selbst wenn ich das Buch nur auf einmal gelesen habe. (Habe ich nicht, aber der Film hatte sonderbarerweise die gleiche Wirkung.) Die Geschichte wirkt bei mir Tage nach. Das zugrunde liegende Konzept war nicht neu für mich. Ich könnte vermutlich drei Science-Fiction Romane aufzählen, die die Klongeschichte mehr oder weniger gut behandeln.
Ich möchte damit einfach sagen, dass das Gelesene nicht einfach "weggelegt wird", wenn ich mit dem Buch durch bin. Es "arbeitet" weiter.
Jetzt gibt es zwei wesentliche Aspekte:
Erstens: meine Sprachbegabung im Deutschen ist nicht sonderlich gut, was das ästhetische Moment angeht. Das bedeutet, dass ich mich an stilistischen Details in der Regel nicht besonders erfreuen kann. Bei manchen Autoren schon, wie z.b. bei Doderer, aber das ist eher die Ausnahme.
Zweitens: bei Fachliteratur möchte ich natürlich schon das Wesentliche behalten. Und das erreiche ich auch in der Regel. Hier wird die Geschwindigkeit nur durch das Überlesen von Inhalten erreicht, die ich schon kenne. Ich nehme an, dass ich von einem Buch, welches 600 Seiten hat, nur ungefähr 80 genau durchlesen muss, um die wesentlichen Informationen zu behalten. Da brauche ich also nicht eintauchen :)