26
Okt
2011

Die Analysten sind enttäuscht!

Es werden die falschen verbrannt.

Folgende Meldung las ich gerade in orf online.

Der Nettogewinn betrug im dritten Quartal 63 Mio. Dollar (rund 45,4 Mio. Euro) und war damit deutlich niedriger als von Analysten erwartet. Nachbörslich brachen die Aktien um 14 Prozent ein. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg der Umsatz um 44 Prozent auf 10,88 Mrd. Dollar - erwartet wurden durchschnittlich 10,95 Milliarden. Analysten zeigten sich von den Zahlen enttäuscht.

Weil der Umsatz und ca. 1% weniger gestiegen ist (wohlgemerkt, absolut ist er ja um 44% gestiegen, aber halt nicht um 44,5%) sind die Analysten enttäuscht.
Vielleicht sind es nicht die Banker und die Politiker, die geteert und gefedert gehören.
Vielleicht sollte man die Analysten verbrennen oder ihnen irgendwas Brennendes in den Arsch schieben, weil die Armen ja so enttäuscht sind.

In der Sendung "Hart aber gerecht" wird gerätselt, ob es um eine Billion oder um zwei geht. Es ist leicht einzusehen, dass das Vertrauen in die Diskussionsteilnehmer geschwächt ist, wenn die noch nicht einmal wissen, über welche Zahlen sie reden.

Da haben es die Analysten leichter: die wissen, über welche Zahlen sie enttäuscht sind.
Wir hatten das schon vor kurzer Zeit, damals ging es um Apple.
Diesmal geht es um Amazon.

Ich würde so gern einmal einem echten, enttäuschten Analysten in die Goschen hauen, dann hätte er wenigstens Grund, enttäuscht zu sein. Vielleicht weint er dann auch ein bisschen.
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Kienspan - 26. Okt, 10:11

Man könnt's auch anders lesen:
Obwohl die Umsatzentwicklung die Prognosen beinahe auf die Kommastelle genau erreichte - es war ein Zuwachs von 44% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu verzeichnen - verschlechterte sich die Rentabilität des Kapitaleinsatzes geradezu alarmierend.

steppenhund - 26. Okt, 16:09

Dies geht aus den obigen Zahlen nicht hervor. 6% nach Steuern ist nicht viel, aber davon könnte man schon leben, vor allem, wenn man wie behauptet, strategische Ziele verfolgt.
Dass der Umsatz aber das Ziel um 1% verfehlt hat, ist wirklich unheimlich bedauerlich, wenn man sich die derzeitige Finanzsituation anschaut, die ja nicht erst seit gestern herrscht. (Ironiemodus aus)
Kienspan - 26. Okt, 16:50

Ich sag's mal in Lehrerworten: "vasteh' i ned!" ; )
steppenhund - 26. Okt, 20:58

was denn net?
Kienspan - 26. Okt, 22:17

Die Analysten hatten sich doch einen Quartalsgewinn von rd. $ 233 Mio. erwartet. Wenn stattdessen nur "mickrige" 63 Mio. als Ergebnis präsentiert werden, ist das schon irgendwie enttäuschend, zumal die Umsatzentwicklung ja durchaus den Erwartungen entsprach. Die (Netto)Umsatzrendite ist von erwarteten 2,3% auf 0,6% eingebrochen (ganz grob gesprochen). Das ist nicht wirklich berauschend, wenn's ungeplant daher kommt. Von daher betrachtet, spielt das knappe Prozent Differenz beim Umsatz keine nennenswerte Rolle.

Oder gehe ich gerade beim Spiel "ich seh' etwas, was du nicht siehst" auf den Leim? *grinst*
steppenhund - 26. Okt, 22:58

Nein, offensichtlich steh ich auf der Leitung. Woher kommt die Information, dass der Quartalsgewinn $ 233 Mio erwartet wurde?
Kienspan - 27. Okt, 00:21

Die Info stammt aus dem ersten Teil jener Story. "Der weltgrößte Internethändler hat seinen Investoren einen kräftigen Gewinnrückgang von 73 Prozent präsentiert."

erwarteter (Quartals)Gewinn = x (Mio)
tatsächlicher (Quartals)Gewinn = 63 (Mio)
x - 0,73x = 63
x = 63 / 0,27 = 233 und a pooa zaquetschte

Ein Plausibilitätscheck mit den Zahlen der Vorjahre - (Netto)Jahresgewinn - ergibt:
2010 : $ 1.152 Mio
2009 : $ 902 Mio
2008 : $ 645 Mio

d'accord?
steppenhund - 27. Okt, 02:07

So betrachtet kann ich dem schon beipflichten. Dass Journalisten aber eine derartige Prozentrechnung dem Leser überlassen, ist normalerweise nicht üblich, das überfordert den Leser.
Ich muss gestehen, ich habe mir nicht die Mühe gemacht, die Rechnung anzustellen, weil im Standard die Zahlen oft so verdreht werden, dass ich von vornherein skeptisch.
So, wie Sie es geschrieben haben, stimmt es schon, aber journalistisch ist es meiner Meinung nach eine Katastrophe.
Und die Analysten exkulpiere diesbezüglich nicht, weil mir diese Gier nach andauernden Ertragssteigerung unheimlich auf die Nerven geht.
Kienspan - 27. Okt, 02:20

Diesen Nervenverschleiß erlebe ich ebenfalls.
Jossele - 27. Okt, 09:52

Wär jetzt nur eine weit hergeholte Mutmaßung.
Durch derlei Katastrophenmeldungen rasseln die Aktienkurse nach unten, also wird der Kauf wieder erschwinglich. Gewinnausschüttung ist ja dann nicht vom Aktienkurs abhängig.
Möglicherweise stecken also andere Motive hinter der Berichterstattung.
Ratingagenturen sind eine üble Erfindung.

Kienspan - 27. Okt, 22:25

Ich bin mir nach einigem Querlesen (bei den Amis) ziemlich sicher, dass es mit der Berichterstattung bei uns nichts besonderes auf sich hat. Da stecken keine besonderen Motive dahinter, außer vielleicht, dass man mit dem Kopieren von Nachrichten anderer Agenturen und/oder Zeitungen Geld spart.

In der deutschsprachigen Berichterstattung findet sich kaum wo der Hinweis auf den Grund des Ergebniseinbruchs: Das neue "e-book-Anzeigegerät" wird im Verkauf je Stück mit bis zu $20 gestützt. Das heißt, sie verkaufen unter den Gestehungskosten, um das Produkt des etablierten Konkurrenten anzugreifen. Es wird auch nirgends erwähnt, dass sich jenes Unternehmen gerade viele neue Tentakel leistet (=Ausbau der Marktstellung)

Ratingagenturen haben in diesem Fall keinerlei Einfluss. Die Aufregung machen sich die (institutionellen) Anleger selbst. Zur Veranschaulichung noch rasch ein Zahlenhammer:

Eine Aktie jenes Unternehmens kostet derzeit $ 206.-, vor einem Jahr war's ein bisschen drunter.
2010 repräsentierte eine Aktie einen Buchwert von sage und schreibe $15 - das ist der Eigentumsanteil der Aktie am Eigenkapital des Unternehmens.

Würden Sie im Alltag für das Eigentumsrecht an einer Sache das mehr als 10-fache des tatsächlichen Wertes hinlegen? In der Hoffnung darauf, dass Ihnen zukünftig irgend ein Idiot dieses Eigentumsrecht zu einem Preis abkauft, der Sie in Verzückung geraten ließe?

Es wird immer aufwändiger - und da gebe ich Steppenhund recht - sich einen Eindruck vom tatsächlichen Geschehen, egal in welchem Bereich, zu verschaffen. Das liegt an der weitreichenden Ignoranz des Pressewesens dem gegenüber, was die Grundlage der Meinungsbildung des verständigen Bürgers ausmacht.
steppenhund - 27. Okt, 23:31

Dem kann ich nichts hinzufügen:?
-
Übrigens Hochachtung. Normalerweise hätte ich den Artikel nicht geschrieben, wenn mir der Prozentanteil - als quasi einzige Begründung -sofort aufgefallen wäre und ich zurückgerechnet hätte, die später absolut genannten Zahlen waren dann für mich der Reibepunkt.
Aber jetzt frage ich mich: ich bin da normalerweise genauer. Also wenn ich das schon überlese, wie geht es dann der Mehrheit?
Kienspan - 29. Okt, 22:12

Die Mehrheit liest's erst gar nicht, meiner bescheidenen Meinung nach. Insofern: Tausend Rosen... (damit mein' ich: is' eh wuascht)
yonosequepasara - 30. Okt, 09:45

Prozentzahlen-Lektüreempfehlung für JournalistInnen

Was sehr zum Verständnis des Lesers/der Leserin solcher Wirtschaftsartikel wie von steppenhund zitiert beitrüge, ist "Das Einmaleins der Skepsis - Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken" von Gerd Gigerenzer.
Prozentzahlen und die Ungewissheit, worauf sie sich beziehen, haben das hohe Potential der Vernebelung des Verständnisses. Das mag jetzt zwar nach Aufklärung durch Kienspan nicht mehr "100%ig" auf diesen speziellen Fall zutreffen, ich stimme aber steppenhund in seiner Grundstimmung zu, wenn durch die nahezu missbräuchliche Verwendung von Floskeln "wie Wachstum/Verlust von 44%" trotz vermeintlich karer Ziffern nur Unklarheit verursacht wird.
ICh denk' mir das "In-Die-Goschen-Haun" halt nur.
:-)

Köppnick - 30. Okt, 11:31

Die reine Logik stimmt ja: Der erwartete Gewinn war in den Kursen bereits "eingepreist". Wenn er niedriger ausfällt, müssen deshalb die Kurse fallen, und über den Herdentrieb fallen sie stärker als nach den Zahlen gerechtfertigt. Das dahinter stehende fundamentale Problem aber bleibt bestehen: Wie um alles in der Welt bekommen wir dieses System geändert, das offensichtlich einen immer größeren Schaden auf der Welt anrichtet?

Kienspan - 30. Okt, 12:03

Die reine Logik stimmt, nur das Ergebnis ist völlig irrelevant. Ein "gesundes" Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt irgendwo zwischen 10 und 20 (= Kurs pro Aktie / Gewinn pro Aktie). Es bedeutet nämlich nichts anderes als die Anzahl der Perioden, nach denen der Gewinn (und der entspricht noch nicht mal der ausgeschütteten Dividende) je Aktie akkumuliert den gegenwärtigen Kaufpreis der Aktie ergibt.

Die Analysten gingen hier ursprünglich von einem KGV von fast 500 aus. Daran zeigt sich, dass das kein vernünftiges Investment ist. Das ist verrücktes Zocken rund um Kursentwicklungen. Unternehmensergebnisse haben in diesem "Spiel" eine andere Bedeutung gewonnen, nämlich die eines Hebels für geschickt auszunutzende Kursschwankungen.

Wir sollten uns sehr bewusst machen, dass unser Geldsystem ein systemisches Betrugsmodell ist. Geld entsteht aus dem Nichts (Fiat-Geld) aufgrund eines läppischen Buchungssatzes und wird damit zu einer verzinslichen Forderung, der bilanztechnisch eine eigene(!) Verbindlichkeit gegenüber gestellt wird.

Den kräftigsten Schnitt in das System könnte man ganz einfach setzen, indem man die Kapitalisierung von Zinsen verbietet. Man rechne sich den Effekt am Beispiel des "Josefs-Pfennig" aus.

(PS: auch meine Aussagen in diesem Kommentar sind nicht ganz ernst zu nehmen, da ich polemischerweise die Quartalszahlen zur Berechnung des KGV herangezogen hatte)
Köppnick - 30. Okt, 13:19

Ist schon klar. Das grundlegende Problem (so wie ich es sehe), habe ich hier beschrieben:
http://kwakuananse.de/http:/kwakuananse.de/archives/die-unlosbarkeit-der-probleme-der-finanzkrise-2-2/
Oder kurz in ein paar Worten: Unser Geldsystem "erwirtschaftet" höhere Zinssätze als die reale Wirtschaft der Waren und Dienstleistungen. In Kursstürzen, Schuldenschnitten und Bankrotten wird dieses Missverhältnis korrigiert. Was nicht korrigiert wird, sind Vermögensumverteilungen. Dafür müss(t)en wahrscheinlich Köpfe rollen.
steppenhund - 30. Okt, 13:36

Wäre es dann nicht die Aufgabe der Journalistik, bei solchen Meldungen auf so etwas wie eine aberwitzige Gewinnerwartung hinzuweisen. Ich weiß, das ist eine unerlaubte Frage:)
Als ich aber einmal einen Mathematikprofessor von der Uni fragte, wie sich ein stetiges Wachstum rein rechnerisch ausgehen sollte, antwortete er mir, dass es noch nicht bekannt sei, ob das Wirtschaftswesen in Nullsummenspielen beschreibbar wäre. Ich habe das als Frotzelei aufgefasst und seither aufgehört, die Frage zu stellen.
Die beiden obigen Postings geben mir allerdings das Vertrauen, dass es doch auch andere Skeptiker gibt. Wäre ich jung genug, würde ich zu den Piraten gehen:)
Kienspan - 30. Okt, 14:10

@Steppenhund

Als Skeptiker sehe ich mich selbst nicht.
Ein System, das bei der Geldschöpfung die zukünftig geforderten Zinsen betragsmäßig nicht gleich miterzeugt, ist dem Untergang geweiht. Köppnick hat das in seinen Beiträgen auch explizit dargestellt. Das vorherrschende Geldsystem dient planvoll der Umverteilung von der Breite der Masse zur Nadelspitze der "Elite". Und dazu kommt noch, wie schon oben von mir erwähnt, dass die Mechanik auf einem bilanztechnischen und handelsrechtlichen Betrugsvorgang aufbaut. Dass solches nicht wahrgenommen wird, liegt an den Indoktrinationen, denen wir laufend durch unwissende und unkritische Berichterstattung ausgesetzt sind.

"Ane in die Goschn hau'n" - ja. Aber nicht den Analysten, sondern den Journalisten. Und die Köpfe werden rollen. Das zeichnet sich überdeutlich ab.
teacher - 7. Nov, 09:07

Ich glaube, dass hier ein beschränkter Journalist die eingeschränkten Analysten nicht kapiert hat.

Kienspan - 10. Nov, 22:26

Der Journalist hat die Fakten richtig wiedergegeben und ist eben nicht beschränkt. Die Analysten waren zurecht enttäuscht und sind eben nicht eingeschränkt. Sie haben offenkundig nicht kapiert, was hier unter dem Beitrag verhandelt wurde.

Auch Denken ist Arbeit, werter teacher. Die allerdings erbringt tatsächlich jeder für sich. Wer diese Arbeit verweigert, schweige besser.
walhalladada - 15. Nov, 19:26

Die Analysten sind halt prototypisch analfixiert.

Teresa HzW - 15. Nov, 19:43

Beim "in d`Goschn haun" würde ich mich herzlich gerne mit-beteiligen. Falls Sie also eine "wir hauen die Analysten"-Mannschaft zusammen stellen, vergessen Sie mich nicht, lieber Steppenhund ;-)

Vor allem tät` ich gern denen von Ständard änd Murks gern die Köpf`in eine Schraubzwinge legen. Und diese...

ACHTUNG: Zartbesaitete Leser[innen] Ihres Blogs sollten nun nicht weiter lesen.... oder wenn, dann nur mit Spucknapf!

... und diese Schraubzwinge tät ich also immer weiter herunter schrauben, bis den Köpfen dieser Rätingagentur in ähnlicher Weise wie ich das vom Auspressen der Weintrauben kenne... der Kopf aufgrund des Druckes so anschwillt.... dass die aufgrund des erheblichen Drucks, der auf deren Schädeln lastete... all Ihre Schandtaten bereit willig gestehen täten. Gestünden sie nicht, so würde die Kopfpresse so weit herunter geschraubt bis sie bei der niedrigsten Ratingstufe angelangt.

Und Sie, Herr Steppenhund, dürften dann den k.o.-Schlag zur Ratingstufe "D" ausführen.

Was für eine Genutuung wäre das - n`est-ce pas!?

steppenhund - 16. Nov, 12:29

Da könnte ich mir noch einiges vorstellen! Und habe das auch schon getan;)
Teresa HzW - 16. Nov, 19:09

Was haben Sie getan?

Es sich vorgestellt oooooder etwa schon ausgeführt?
;-)))
steppenhund - 16. Nov, 22:54

Darüber schweige ich aus leicht einsehbaren Gründen.
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lamamma - 27. Mär, 12:44
Überrascht
Ich bin wirkliich überrascht, dass gerade Du lamentierst....
lamamma - 26. Mär, 15:30
Wobei nähen sich ja viel...
Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
Schwallhalla - 26. Feb, 10:30

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