21
Jul
2010

eine bemerkenswerte Frau

Am Montag hatte ich die Gelegenheit, einen Vortrag von Dr. Auma Obama (Schwester von Barrack Obama) anzuhören. Überraschenderweise war ich auch nachher zum Dinner mit eingeladen und konnte mich ein wenig mit ihr unterhalten. (Das Event war von CARE veranstaltet worden.)
Der Inhalt ihres Vortrags war über ihre Arbeit in Kenya, wo sie vor allem jungen Mädchen hilft, ihr Selbstbewusstsein zu entwickeln. Sie macht das über Sport, hat aber unter anderem es auch geschafft, mehrere Organisationen in ihren Zielen unter einen Hut zu bringen.
Sie hat auf deutsch gesprochen. (Sie hat in Deutschland promoviert.)
Ihr freier Vortrag war ausgezeichnet, nicht überzogen und trotzdem bekam man die Dringlichkeit ziemlich mit. Es ging auch weniger um den Spendenaufruf an sich, (der besteht natürlich implizit, wenn man über die Zustände unterrichtet wird) sondern die Überzeugung lag darin, dass man auch dann etwas ändern kann, wenn man es nur in kleinem Rahmen schafft, aber peu a peu die Bewusstseinslage verstärkt.
Ich habe sie später gefragt, ob sie Menschen kennt, die mit einer ähnlichen Einstellung in Deutschland operieren.
Der Anlass meiner Frage war folgender:
Es scheint mir so, dass in Deutschland das Problem herrscht, dass die junge Generation (in der Masse) kein Selbstwertgefühl mehr entwickeln kann. Das Fehlen von Arbeitsaussichten, Hartz-IV-Karriere bei den Eltern und die Aufklärung im Fernsehen, dass man nur dann etwas ist, wenn man entweder Top-Model ist oder einen Porsche fährt, kann einen schon entmutigen.

Ihre Antwort war sehr interessant.
Sie erzählte mir, dass sie eine ähnliche Arbeit in England durchgeführt hätte. Meine Begründung hinsichtlich Deutschland konnte sie sehr gut verstehen. Ich denke, sie teilt meine Ansicht. In England gibt es dasselbe Problem. Und dann sagte sie: in England bin ich gescheitert. Im weiteren Gespräch stimmten wir überein, dass der Grund für das Scheitern vermutlich daran liegt, dass es uns in Europa noch "zu gut" geht.
Es könnte sein, dass sich hier ein Missstand zu einer echten Gefahr auswächst.

Das war ein ziemlich interessanter Abend, in dem ich auch andere Informationen über CARE erfuhr. Es war aber ein Erlebnis, diese Frau kennen zu lernen.
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testsiegerin - 21. Jul, 12:53

ich hab das ein bisschen in den zeitungen verfolgt und mich beeindruckt diese frau auch sehr.
und ich bin sowieso überzeugt davon, dass ein gesundes und stabiles selbstbewusstsein und selbstwertgefühl der boden ist, auf dem alles wachsen kann. aber um das entwickeln zu können, braucht es in erster linie liebe.

steppenhund - 21. Jul, 14:17

Sie musste mich davon nicht erst überzeugen, doch halte ich es für extrem notwendig, dieses Bewusstsein unters Volk zu bringen. Dort, das Selbstbewusstsein selbst, hier, die Notwendigkeit, diese Art der Handlungsweise als richtig anzusehen.
PeZwo - 21. Jul, 15:29

Ich habe gestern Abend in der ZIB2 das Interview gesehen, welches Eugen Freund mit ihr gemacht hat. Sie hat diesen erfahrenen Journalisten-Profi auf eine sehr unkonventionelle Art ziemlich in Bedrängnis gebracht... da dachte ich mir auch, dass sie eine bemerkenswerte Frau ist, mit der ich ebenfalls gerne ein paar Worte gewechselt hätte.

steppenhund - 21. Jul, 17:56

Ich hab das leider nicht gesehen. Worin bestand denn die Unkonventionalität?
PeZwo - 21. Jul, 21:06

Eugen Freund erzählte von einer Begegnung mit einer schwarzen Familie und sagte dass die 15-jährige Tocher "natürlich schon ein Kind hatte". Sie fragte sofort nach: "warum natürlich?" und er konnte seine Wortwahl nur mühsam erklären.

Anschließend brachte sie ihn dazu es zuzugeben, dass er sie nicht interviewt hätte wenn sie nicht Obama heißen würde. Anschließend erklärte sie ihm sinngemäß, dass er denen Frauen zuhören soll die nicht einen berühmten Namen tragen sondern etwas zu sagen haben.

Hier kannst du es nachhören: http://tvthek.orf.at/programs/1211-ZiB-2
steppenhund - 21. Jul, 22:06

Danke

Das kann ich mir gut vorstellen:)
walküre - 21. Jul, 21:18

Das Gros der Elterngeneration der heutigen Jugendlichen hat den Niedergang des Wirtschaftswunders erlebt, ohne selber brauchbare Alternativmodelle gehabt zu haben oder zu finden (deren Eltern- und Großelterngeneration wiederum verdrängte den Krieg und alles, was dazugehörte, mit aller Macht und war nur auf Geldverdienen auf Teufel komm raus fixiert), was für meine Begriffe zu dieser Orientierungslosigkeit der Kinder geführt hat. Ich denke nach wie vor, dass jede Krise eine Chance in sich birgt - diese hier könnte möglicherweise zu wesentlich mehr nicht-profitärem Denken führen mit allen Begleiterscheinungen wie mehr sozialem Denken und Handeln, mehr Umweltbewusstsein, mehr Menschlichkeit im Alltag -und der Erkenntnis, dass man Geld nicht essen kann. Das ist jedenfalls die Chance, die ich hierin sehe.

PS: Dr. Obama scheint zu jenen Menschen zu gehören, die die Welt tatsächlich zum Positiveren verändern können.

steppenhund - 21. Jul, 22:08

zum P.S.

Sie strahlt enormen Optimismus aus, ohne dabei naiv zu wirken. Das ist eine sehr starke Kombination von Eigenschaften bzw. nicht-Eigenschaften.
walküre - 21. Jul, 23:32

"dass man nur dann etwas ist, wenn man entweder Top-Model ist oder einen Porsche fährt"

Daran habe ich vorhin denken müssen, als ich nebenher Stern-TV geschaut habe. Konkret ist es um eine fingierte Casting-Agentur gegangen, in der getestet wurde, wie weit Eltern gehen würden, um ihren Kindern eine Filmrolle zu verschaffen - oder besser gesagt, was sie ihren Kindern alles zumuten würden, damit diese möglicherweise eine Rolle bekämen. Wir sprechen von Kindern im Volksschul- und Kindergartenalter, und Eltern erklärten sich bereit, diesen für die Rolle einen gesunden Zahn ziehen, sie 12 Stunden pro Tag arbeiten, sie Bungee-Jumpen, sie in der Wüste (zwecks der Echtheit der Panik) aussetzen zu lassen. Dies ist nicht alles und auf die diversen Kinder verteilt, aber jede einzelne Klausel (unter anderem sogar ein Branding ohne Betäubung !) wäre für sich eine absolute Zumutung und dazu angetan, dem Kind dauerhaften schweren psychischen und/oder physischen Schaden zuzufügen. Nur eine einzige Frau von den insgesamt fünf Erwachsenen reagierte angemessen - nämlich mit Ablehnung. Mir kommt das Kot*en bei sowas, anders vermag ich es nicht zu sagen.
steppenhund - 22. Jul, 12:01

@walküre

Eine sehr traurige und wichtige Stellungnahme. Es ist bei solchen Tests schon zu überlegen, wer da befragt wird. Ich weiß zum Beispiel mit Gewissheit, dass sich in 8 Familien (bei den Geschwister meiner Frau und bei meinen Kindern) genau 0 Menschen dazu bereit erklären würden. Und ich vermute auch, bei den Schulkollegen meiner Kinder.
Aber das sind dann "Elite-Eltern". Und dann frage ich mich, warum der Begriff "Elite" so verpönt ist.
-
Der Fairness halber muss man sagen, dass gerade im Sport die größten Sportler aus einem Milieu kommen, in dem große Opfer gebracht werden müssen, um daraus auszubrechen.
Dann kann eine entsprechende Haltung vielleicht leichter verstanden werden.
-
Aber natürlich ist es zum Kotzen. (diesmal ausgeschrieben:)
Phorkyas - 22. Jul, 00:17

Es scheint mir so, dass in Deutschland das Problem herrscht, dass die junge Generation (in der Masse) kein Selbstwertgefühl mehr entwickeln kann

Als Vertreter dieser Generation kann ich mich nur anschließen. Die Angst und Unsicherheit scheint mir (nicht nur bei mir selbst) allgegenwärtig. - Noch größeres Unbehagen bereitet mir wie die kommenden Generationen wohl schon gebrieft werden sollen, wenn man die eigene Angst auf diese überträgt und dem erwarteten Selektionsdruck entsprechend die Kleinen auf Kindergärten schicken möchte, in denen sie schon Chinesisch lernen (wenn's doch nur Satire gewesen wäre, aber entweder war es aus einem ZDF-Bericht über Begabtenförderung, der einen nur ausrufen lassen wollte: 'Jetzt lasst doch mal eure Kinder in Ruhe (ein bisschen Kind sein, spielen und so)!' oder aus nem Zeitartikel)

Nur wie holt man sich das wieder? Gelassenheit und Souveränität - wie Auma Obama es in dem verlinkten Interview ausstrahlt -
(Bei mir zeigt sich mitunter eine Trotzhaltung, dass ich mir sage, dass sie es dann selbst schuld sind, wenn sie das Potential der Leute so niedermachen und unterdrücken, weil es sich in Angst nicht entfalten mag)

steppenhund - 22. Jul, 11:55

@Phorkyas

Da werden ein paar Dinge angesprochen, die ich nicht ganz so vermanscht sehen möchte.
Der frühe Kindergarten ist etwas, was mir Angst macht, vor allem wenn er mit einem "Du musst etwas lernen" verbunden ist.
Die Mehrsprachigkeit sehe ich prinzipiell als positiv an. Chinesisch ist ein bisschen dumm, weil es nur vom kommerziellen Charakter her propagiert wird.
Deutsch - Serbokroatisch, Deutsch - Türkisch, Deutsch - Italienisch: das wären Kombinationen, die sich auf ganz natürliche Weise spielerisch(!) ergeben könnten. Natürlich bringt auch Deutsch-Englisch oder Deutsch-Französisch, genauso wie Deutsch-Spanisch etwas. Aber immer nur dann, wenn entsprechende Personen in der unmittelbaren Umgebung die Sprache sprechen. Nicht dann, wenn die Sprache "gelernt" werden muss.
Ich denke, dass aber etwas anzuprangern ist: nämlich der Leistungsdruck, der auf Kindern lastet. Sie sollen wie kleine Roboter funktionieren und ideologisch beherrschbar sein.
-
Die Trotzhaltung kann ich sehr gut - heute mit 59 Jahren - verstehen. Gerade deswegen tut es gut, sich von einer Haltung wie der von Auma Obana anstecken zu lassen. Das Leben wird einfach erfreulicher, wenn man einen positiven Ausblick gewinnen kann.
Phorkyas - 3. Aug, 17:16

Vermanschung

Vielleicht war die Assoziation etwas zu lose. So wie ich das in Erinnerung habe, war das "Leistungbringenmuessen" der Eltern aber schon so internalisiert, dass sie gar nicht darueber nachdachten, was sie ihrem Kind antun. (Mein Bruder erzaehlte mir von einer aehnlichen Dokumentation, die aber moeglicherweise auch Kritik ueben sollte, in derjenigen, die ich gesehen hatte, wurde dieser Zustand einfach als solcher dargestellt und es dem Betrachter ueberlassen, ob das nun vielleicht doch nur ein Zerrbild sei, ob es dem nachzueifern gelte oder man es lieber anprangern sollte.)

Vielsprachigkeit begruesse ich, ich beneide z.B. meine Freundin sehr, die zweisprachig aufgewachsen ist (Russisch-Deutsch). Nur sollte sie nicht zwanghaft von aussen kommen, z.B. wenn man gar kein Muttersprachler da ist.. (das schrieben Sie ja auch), oder wenn einen die Kultur und die Sprache eigentlich gar nicht interessiert, sondern es nur als Wettbewerbsvorteil erachtet.

Fuer mich, der ich eigentlich gerne Kinder haben wuerde, sind das schon quaelende Gedanken, dass diese dann in eine solch wahnsinnige Umgebung - so denn die Bilder davon stimmen - geboren werden, der sie sich ja nicht verschliessen koennen werden..

Ich muss zugeben ich beneide Sie ein wenig ob Ihrer (Alters-)gelassenheit(?), mir taete es Not, sich ein bisschen mehr von Auma anstecken zu lassen.
steppenhund - 4. Aug, 22:36

Der Neid ist begreiflich. Ich hätte mir vor 5 Jahren nicht vorstellen können, dass ich einmal diese Art von Gelassenheit aufbringen werde.
Gerade heute habe ich das wieder festgestellt, weil ich ein Workshop in der Firma gehalten habe, in der ich früher einmal 10 Jahre gearbeitet habe. Dann trifft man einige der alten Kollegen. Mit den meisten bin ich heute noch sehr gut. Und dann gab es ein paar, die damals eher intrigiert haben.
Wenn ich sie in der Kantine sehe und feststelle, wie sie sich in ihren Leben versteinert haben, vergesse ich alle Ressentiments, die ich je hatte. Heute tun sie mir nur mehr leid. (Obwohl ich schon manchmal wirkliche Benachteiligungen aufgrund ihrer Aktionen erlebt habe.)
Aber ich habe selbst im Unglück immer noch Glück gehabt...
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Wobei nähen sich ja viel...
Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
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