29
Dez
2018

A N F A N G

Also ich habe ja jetzt begonnen, Klavier zu üben. Es wird sich weisen, ob ich dabei draufgehe oder den Mount Everest erreiche. Der Schwierigkeitsgrad dieser Sonate ist unbeschreiblich.

"Erstens ist es natürlich die Länge, es ist in der Tat die längste Sonate, die dauert je nach der Länge unterschiedlich von 45 bis 50 Minuten. Das zweite ist natürlich geistige Beherrschung des Stückes - selbst Hans v. Bülow hat gesagt - nach 25 Jahren, die er sich dem Stück gewidmet hat, hat er das Gefühl, jetzt kann er das Stück spielen. Was soll man dann selber dazu sagen? Aber natürlich auch die technischen Schwierigkeiten - und man wächst mit, und das ist ein wichtiger Aspekt, dass man das Gefühl hat: das ist ein Mount Everest und man versucht einfach immer wieder dahinzukommen, auf diese Spitze." [Dina Ugorskaja]

Ich kann das nachempfinden. Ich habe nur einen Rückhalt: die Empfehlung eines befreundeten Pianisten, der gemeint hat: "Warum spielst Du nicht ..." Wenn er glaubt, dass ich diese Sonate bewältigen kann, kann ich mich nicht davor drücken. Ich übe natürlich jetzt zuerst einmal die Fuge. Die muss gehen, dann werden sich die restlichen Teile schon finden.
Naja, wie sage ich sonst? "Man gönnt sich ja sonst nichts!"

Eine der beeindruckendsten Aufnahmen des dritten Satzes:

Der langsame Satz
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iGing - 29. Dez, 22:35

Da muss man ja schon ein Könner sein, um sich das überhaupt anzuhören ... :-)

steppenhund - 30. Dez, 10:27

Hier gibt es zwei unterschiedliche Überlegungen

1) Musik muss gefallen und Spass machen. Das ist die klassische italienische und französische Linie. (Auch in der "ernsten" Musik)
2) Musik soll veredeln und allenfalls auch eine Moral lehren. Das ist die Haltung Beethovens und generell der deutschen Musikszene.

Davon abgeleitet kann man auch schlussfolgern, dass man sich manche Musik erst erarbeiten muss, um sie zu verstehen und sich an ihr zu erfreuen. Oder man hat schon die ganze Linie der Musikentwicklung miterlebt und kann sich an einer Elektra bereits beim ersten Anhören erfreuen. Es gibt Ausnahmen: Anton Bruckner, ein glühender Verehrer Wagners, hat sich Tristan und Isolde in Bayreuth angehört, war von der Musik begeistert, hatte aber keine Ahnung, worum es im Drama eigentlich geht.

Was diese spezielle Musik bei Beethoven angeht: Beethoven hat auch eine Fidelio geschrieben. Diese Musik geht super ins Ohr und sollte auch dem Laien klar machen, wie schön die Liebe der Leonore durch ihre Treue und ihren Kampf geadelt wird.

Bei dieser Musik kann ich eine Anekdote aus meinem Leben anführen. Als ich die Sonate zum ersten Mal im Konzert anhören durfte, war mir der dritte Satz eine Qual. Ein Trugschluss nach dem anderen, und immer ging es noch weiter, und noch weiter. 20 Minuten sind eine Ewigkeit, wenn man auf die Fuge wartet. Und die war damals für mich so ähnlich, als würde man sich ein Formel-1-Rennen ansehen dürfen.
In der Zwischenzeit kann mir dieser Satz gar nicht lange genug dauern. Und wenn man ihn selbst spielt, wundert man sich, dass er schon aus ist. Da man sich extrem konzentrieren muss, um den Bogen über die gesamte Dauer spannen zu können, verliert man das Zeitgefühl und ist überrascht, wenn sich plötzlich das Ende einstellt.
Es scheint aber doch so, dass - selbst wenn man nicht selber spielt - man sich das Werk erst "erarbeiten" muss.
Wenn einem das zu anstrengend ist, hört man sich halt besser Helen Fischer an oder Gabalier. Ich genieße ja auch besser ein Gericht, für das ich drei Stunden in der Küche gestanden bin, als einen Hamburger, der in zwei Minuten zusammengelegt ist. (Und ich weiß, wovon ich spreche: in Amerika habe ich Griff's Burger verkauft, die besten Burger, die es gibt oder gab. Keine Ahnung, ob dort auch nur mehr McDonalds verkauft werden.)
iGing - 30. Dez, 17:07

Na, das passt ja grandios: Der Spaß geht nach Italien und Frankreich und in Deutschland übt man sich in Moral ...

Also, ich finde, ein bisschen Heiterheit steht der Musik ganz gut. Tragisch darf's meinetwegen auch zugehen, große Gefühle müssen einfach dabei sein, aber diszipliniert und belehrend, das passt zu einem Philosophen, und dafür ist Sprache ja auch wie gemacht, dafür braucht man doch keine Musik.

Aber ich will darüber nicht streiten (müssen), ich habe großen Respekt vor Ihrer musikalischen Kompetenz, da wage ich kaum den Mund aufzumachen, geschweige denn zu widersprechen.
steppenhund - 31. Dez, 04:51

Also so groß ist die Kompetenz nicht

oder sagen wir, sie ist beschränkt. Einige Details und größte Lücken. Eigentlich hatte ich mir vorgestellt, in der Pension noch einmal auf die Musikakademie zu gehen. Aber nach Lehrplan zu lernen und Prüfungen abzulegen reizt mich nicht mehr. "Ich prüfe selber :)"

Aber ich lese halt immer mehr einschlägiges Material. Das mit der Moral habe ich aber auch schon mit 16 Jahren gewusst. Es gäbe ja noch eine dritte Kategorie: Geschichte und Märchen. Das sind die slawischen Komponisten.

Zur Moral noch eine Anekdote, die mich sehr für Beethovens Moral eingenommen hat. Die dritte Symphonie hatte er ursprüngliche Napoleon zugedacht. "für einen Heroen" Als Beethoven erfuhr, dass sich Napoleon zum Kaiser gekrönt hatte, zerriss er die Seite mit der Widmung.

Ich verstehe, dass "belehrend" nicht unbedingt erstrebenswert ist. Aber "diszipliniert". Praktisch jede gute Musik ist "diszipliniert", und mag sich noch so einfach und spontan erklingen.

Und z.B. eine andere Musik würde ich auch nicht als belehrend einschätzen, obwohl sie das streng genommen ist. Pink Floyd: the wall!
iGing - 31. Dez, 13:42

Ja, mit der Disziplin hat es etwas auf sich ... die, die sie am wenigsten nötig zu haben scheinen - weil genial veranlagt -, pflegen sie am meisten und schätzen sie sehr, sehr hoch ein. Man höre sich nur mal das Wunderkind Alma Deutscher an, wenn sie über ihre "Arbeit" spricht. Und auch andere hochmusikalische Kinder imponieren durch ihre ungeheure Disziplin, mit der sie sich täglich dem Musizieren widmen.
Wer Disziplin den Deutschen zuordnet, meint aber außer dieser Fleißkomponente noch die Kantisch-hochmoralische Ausrichtung, die das ganze Denken umfasst und keine Ausrutscher duldet. In der Musik kann man ja Dissonanzen im Nachhinein wieder ausbügeln (bitte um Entschuldigung, aber mir fehlen die Fachbegriffe, um das richtig auszudrücken), das kann ein Kantischer Philosoph nicht, er muss seinen Gedankengang neu einfädeln und einrichten, damit er stimmt, und die vorige Version landet im Papierkorb und wird vom Leser gar nicht wahrgenommen. Ein Musikhörer hört quasi den gesamten, auch fehlerhaften Gedankengang sowie seine korrekte Auflösung. So hört es sich für mich jedenfalls manchmal an.
steppenhund - 31. Dez, 15:40

Es gibt ja einige Dissertationen, die Kant widerlegt haben.
Aber für mich zählt eigentlich nur, dass der Kategorische Imperativ ein Scheiß ist. Es gibt genügend Fallbeispiele, wo er versagen muss.
So kann ich Ihnen indirekt nur beipflichten :)
diefrogg - 30. Dez, 17:00

Schön, dass Du ...

... auch noch da bist, Herr Steppenhund ... twoday scheint ja wieder zu funktionieren. Jetzt muss ich mal schauen, wer alles noch da ist. Sei erst mal herzlich gegrüsst - und ich wünsche ein gutes neues Jahr!

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Wobei nähen sich ja viel...
Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
Schwallhalla - 26. Feb, 10:30

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