31
Aug
2013

Beethoven

Im Radio höre ich gerade Gerd Voss und die Schilderung seiner Begeisterung für Beethoven. Ich habe mich immer über die Menschen lustig gemacht, die gemeint haben, für sie wäre Beethoven der Größte. Mit der moderneren Musik hätten sie nicht so viel am Hut. Damit waren Brahms und Mahler oder auch Wagner gemeint. Die Namen Schostakowitsch, Prokofiev oder Hindemith tauchten gar nicht auf.
Ich gestehe, dass da von meiner Seite eine gewisse Verachtung im Spiel war, die sich übrigens auch auf Hermann Hesse mit seiner absoluten Mozart-Vergötterung erstreckt hat. Im Alter wird man toleranter und milder und ich sehe ein, dass es nicht jedermann gegeben ist, über bestimmte Schranken zu steigen.
Apropos Schranken. Das Wort erinnert mich an die kleinen Barrikaden, die vor der Radio- und Fernsehanstalt im damaligen Leningrad errichtet waren. Ich musste über sie hinweg klettern, um anschließend dem Fernseh- und Radiokomitet den einzigen Bösendorfer Konzertflügel zu verkaufen, der nach dem zweiten Weltkrieg nach Russland ging.
Meine Freunde wissen, dass für mich Schubert der wichtigste persönliche Komponist ist. Meine Frau und meine Kinder wissen auch, dass ich in meinem Leben aber auch andere Phasen hatte. Ich hatte Brahms-Jahre, Mozart-Jahre, Ravel-Jahre, Bach-Jahre, Haydn-Jahre, in denen ich hauptsächlich nur Werke jener Komponisten spielte. Ich hatte auch Beethoven-Jahre. Nicht nur eines. Im Laufe meines Lebens habe ich alle Beethoven-Sonaten außer zweien gespielt. Die Hammerklavier-Sonate widersteht im letzten Satz noch immer allen meinen Bemühungen und Les-Adieux habe ich mir nie vorgenommen.
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Zur Zeit bin ich selbst wieder auf dem Beethoven-Trip. Und weil ich so ein Messie bin und ein Notenstück nicht finden kann, dass ich noch vor einem Jahr in meinen Händen hielt, bin ich zur Zeit auf die ersten und die letzten Sonaten reduziert. Dabei habe ich alle Sonaten in verschiedenen Ausgaben. Ich muss wieder einmal aufräumen!
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Und zur Zeit konzentriere ich mich auf die Sonaten 1 - 7. Die erste habe ich schon einmal in einem Konzert gespielt, als Vierzehnjähriger. Die sechste habe ich mit unheimlicher Ausdauer als Student geübt, die anderen mehr oder weniger gut beherrscht. Jetzt konzentriere ich mich zur Zeit auf fünf, sechs und sieben. Ich bin überrascht, dass mich diese Sonaten so fesseln können. Ich entdecke lauter kleine Details, immer wieder neue. Es bereitet große Lust zu üben und sich auch an den kleinen oder größeren technischen Schwierigkeiten zu beweisen. Ich habe mir jetzt zwei Bücher über die Beethoven-Sonaten gekauft und im Internet eine Vorlesung von Andras Schiff über die siebente Sonate angehört. Ich bin ein bisschen stolz darauf, dass meine Auslegung offensichtlich recht richtig angelegt ist. Was ich nicht wusste, ist die Bedeutung, die Beethoven selbst dieser Sonate beigemessen hat.
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Joachim Kaiser hat einmal geschrieben, dass jede einzelne Beethoven-Sonate ihren eigenen Charakter hat. Dadurch scheint es unmöglich, einem Interpreten zuzugestehen, dass er alle Sonaten am besten gespielt hat. Manche liegen dem einen mehr, andere dem anderen. Sicher hat mich das Anhören der Gulda-Einspielungen oder auch die realen Konzerte, die ich noch als Student besucht habe, geprägt.
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Zur Zeit spiele ich jeden Tag mindestens zwei Sonaten. Davon eine mit Übungsabschnitten in den schwereren Passagen. Ich tröste mich damit, dass andere Leute ja auch jeden Tag ins Fitness-Center gehen oder Yoga machen.
Mein Yoga ist das Klavier und Beethoven ist eine ganz besondere Ausprägung. Da geht etwas weiter. Ich würde fast von Meditation sprechen.
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