1
Nov
2010

Drei Stunden

In den Neunzigerjahren saß ich oft nächtelang vor dem Computer und überwachte argwöhnlich den Download von irgendwelchen Programmen, die 60 Megabyte groß waren.
Das dauerte Stunden und ich zitterte darum, dass nicht in dieser Zeit das Telefon klingeln würde, denn damit kam gewöhnlich der Download außer Tritt und ich musste wieder von vorne anfangen.
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Aus Nostalgie - und natürlich, weil es mich interessiert, - muss ich mir das Spiel Sid Meier's Civilization V besorgen. Die erste Generation lief noch unter DOS.
Das Spiel wird über eine Spieleplattform "Steam" vertrieben. Man kann es auch kaufen, aber die Ungeduld ist groß, also werden 50€ locker gemacht und die Downloadberechtigung eingekauft.
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Die Menge der zu ladenden Daten ist 4,7 Gigabyte, also rund 100 mal so viel, wie das damals war. Die geschätzte Ladezeit wird allerdings nur mehr ungefähr 2 Stunden betragen. Während ich diesen Text schreibe, sind ungefähr 8% bereits geladen.
Mit der für mich affenartigen Rate von 509kB/s.
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Über ein Kabel (Telekabel etc.) würde mich das nicht beeindrucken. Da geht es sogar noch schneller.
Doch über zwei verzwirbelte Kupferdrähte ohne Schirmung, ohne gar nix, mit etlichen Stoßstellen, ist das ein Wahnsinn.
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Echt arg. Und jetzt geh ich Klavier üben. Wenn ich fertig bin, spiele ich dann noch ein bisschen. Hoffentlich! :))
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Bücherverbrennung

Davon halte ich ja prinzipiell nichts. Allerdings habe ich heute zwei Regalreihen Bücher weggeworfen, um Platz für aktuellere zu schaffen.
In erster Linie Sekundärliteratur zu Programmen.
Wer kennt heute noch Pagemaker? Oder wer kennt die Anfangsgründe von Starwriter, heute fein säuberlich im Open Office verpackt?
Bei einem halben Meter wurde ich ein bisschen nachdenklich. Ich glaube, ich war der einzige Mensch in Österreich, der privat eine Visual Age Smalltalk V.3 Enterprise besaß. Die kostete neu 50.000 ATS. Ich hatte sie mir um 16.000 vollkommen legal zusammengestoppelt und machte gerade soviel damit, dass ich mich guten Gewissens für eine Job bewerben konnte, bei dem ursprünglich Smalltalk verlangt war.
Ich musste nie etwas beruflich in Smalltalk programmieren, wenn man von ein paar Pipifax-Skripts absieht.
Trotzdem hat gerade meine Beziehung zu Smalltalk eine zehnjährige Anstellung eingeleitet über deren Verlauf ich mich wahrlich nicht beklagen kann.
Ich warf die Handbücher trotzdem weg. Erstens hat sich Smalltalk entgegen den Ankündigungen von IBM nicht weiterentwickelt und wird auch nicht mehr supported. Visual Age war eine gute Sache, war aber viel zu früh am Markt. Die Maschinen waren noch nicht schnell genug.
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Interessant erscheint mir dabei allerdings eines: ich habe Computerbücher, die wesentlich älter sind (wie z.B. das sagenhafte C von Kernigham & Ritchie, ein Klassiker von 1978), die aber auch heute noch nicht ihre Bedeutung verloren haben. Und dann gibt es Modeerscheinungen, die einmal einen Hype besungen haben, der im Gegensatz zur Kleidungsmode sich nicht nach 30 Jahren wiederholt. Was einmal weg vom Fenster ist, ist weg.
Und daher fühle ich mich auch wirklich etwas befreit, obwohl ich sonst wirklich keine Bücher wegschmeiße.
(Anmerkung: Und die Biester waren ja sauteuer: zwischen 50 und 70 US$ in der Regel)
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Sein und Schein

Erwin Chargaff hat als Biochemiker grundlegende Erkenntnisse in der DNA-Forschung herausgefunden, welche später zur Entdeckung der DNA-Doppelhelix durch Watson und Crick führen konnten.
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Nach seiner Emeritierung gab er gesellschaftskritische Essays heraus, deren jedes einzelne durch Geschliffenheit und Aussage besticht.
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Ich liebe vor allem meinen kleinen Band "Abscheu vor der Weltgeschichte". Zufällig handelt das erste Essay von der Wahrheit: "Über die Liebe zur Wahrheit".
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Im 7. Abschnitt geht es so richtig zur Sache.
Als philosophischer Begriff nimmt das Wort Wahrheit viel Raum ein in den Registern der Werke aller bedeutenden Philosophen, z.B. sechs engbedruckte Seiten im Hegel-Register.
Chargaff erzählt über Wahrheitshülsen. Er grenzt die wissenschaftliche Wahrheit von den theologischen und philosophischen Wahrheiten ab und zitiert Thomas von Aquino:
... der in seinen 'Quaestiones quodlibetales' die Herkunft der unzähligen Wahrheiten aus der einen singulären Wahrheit treffend gekennzeichnet [hat]." *)

Jetzt zitiere ich einen Absatz, der mir angesichts der zunehmenden Sprachlosigkeit (es ist nicht Ungenauigkeit, sondern es gehen uns die Begriffe verloren) besonders interessant erscheint.

"Da ich früher das Feingefühl der deutschen Sprache gepriesen habe, möchte ich, gerade im Zusammenhang mit den Naturwissenschaften, noch ein weiteres Beispiel erwähnen. Ich denke an die Wörter Wahrheit und Wahrscheinlichkeit, deren etwas unbehagliche Familienbeziehungen andere Sprachen nicht ausdzudrücken vermögen. Wen erinnern z.B. truth und prabability daran, daß in ihnen der Unterschied zwischen Sein und Schein zum Vorschein kommen sollte, wie er es im Deutschen tut? In der Naturforschung sind Wahrscheinlichkeit und Wahrheit of durch nichts mehr getrennt als durch zwei oder drei zusätzliche Experimente mit halbwegs gleichem Resultat. Ich denke, daß man bei gründlicher Durchsicht häufig finden wird, daß die Naturwissenschaften viel reicher an Wahrscheinlichkeiten und Plausibilitäten sind als an Wahrheiten. Am Begriff der Wahrheit gemessen sind die meisten Wisschenschaften jetzt viel zu kompliziert geworden, denn der alte Wahrspruch simplex sigillum veri, Einfachheit sei das Siegel der Wahrheit, ist nicht außer Kraft gesetzt."

Ich könnte das ganze Buch abschreiben, so d'accord bin ich mit fast allen Aussagen auf den etwas über 110 Seiten. Ich kann es nur denen ans Herz legen, die für diese Art von Schrifttum etwas übrig haben.


* Ab una prima vertate multae veritates in mentibus hominum resultant, sicut ab una facie hominis resultant multae facies in speculo fracto.
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lamamma - 26. Mär, 15:30
Wobei nähen sich ja viel...
Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
Schwallhalla - 26. Feb, 10:30

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