12
Apr
2016

Wenn man alt wird, ...

heißt es sich zu organisieren. Das klappt in der Regel schon recht gut. Doch manchmal könnte man verzweifeln.
Heute gibt mein Klavierlehrer ein Konzert, von dem er mir in der letzten Klavierstunde erzählt hat. Natürlich muss ich mir das anhören. Ich bin also zum Musikverein gefahren und habe mir Karten für die heutige Veranstaltung gekauft.
Heute suche ich die Karten und finde sie nicht.
Auf meinem Schreibtisch sind sie nicht.
Auf dem Küchentisch sind sie nicht.
In der Lade, in der wir alle Abonnementkonzerte sammelt, sind sie nicht.
Sie sind auch nicht in einem der Sammelumschläge.
Im Portmonnaie sind sie nicht.
In der Aktentasche, in der die Noten waren, die ich mithatte, sind sie nicht.
In den Noten sind sie nicht.
Im Mantel sind sie nicht.
Im Anzug sind sie nicht.
Sie sind einfach nicht.
Ich suche den Zahlungsbeleg, um in der Musikvereinskasse zu fragen, ob ich zumindest Duplikate abholen kann.
Gleiche Suchroutine.
Ich gehe rein zufällig zum Klavier.
Da liegen sie ganz oben auf der rechten Seitenablage des Musikpults.

Wenn man alt wird, muss man mit dem Unmöglichsten rechnen.
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iGing - 12. Apr, 14:28

Ähnliche Odysseen mit ähnlichem Ergebnis habe ich auch schon hinter mir. Anfangs erschüttert einen sowas, dann lernt man, es gelassen zu nehmen, und in der Tat: sich noch besser zu organisieren, hilft. Zumindest ein paarmal. Wenn man eben solche Möglichkeiten schon einkalkulieren kann. Aber irgendwie scheint das ein Fass ohne Boden, dieser Fundus an möglichen Fehlleistungen. Fast könnte man vermuten: Alles, was man irgendwie richtig machen kann, hat auch das Potential, schief zu laufen. Dann kann ja noch einiges kommen!
Was ich aber nach wie vor nicht verstehe: Früher ist einem doch auch mal was runtergefallen oder Ähnliches ... man hat es wieder aufgehoben und weiter ging's. Wenn 's kaputt war, hat man sich geärgert, aber man hat nicht gleich an seinen [zu erhaltenden] Fähigkeiten gezweifelt.

steppenhund - 12. Apr, 15:45

Der zweite Absatz ist nicht ganz unberechtigt. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich einmal ein phänomenales Gedächtnis hatte. Meine Frau sagt ja immer, ich soll mich daran gewöhnen, dass nicht mehr alles so rasch und so glatt geht.
Ich habe mich ja auch schon daran gewöhnt. Wenn ich lese, dass Svatoslav Richter im Tag so lange geübt hat, bis er EINE Seite eines Musikstücks auswendig konnte, macht es mir nichts aus, wenn ich drei Tage oder sogar eine Woche brauche. Dann muss ich das Stück allerdings jeden Tag spielen, sonst vergesse ich es wieder.
Mein Problem ist nicht, dass ich an meinen Fähigkeiten zweifle. Es ist einfach so, dass meine persönlichen Schwächen, die Schlamperei und teilweise eine einsetzende geistige Trägheit sich viel stärker bemerkbar machen, als es früher der Fall war.
Das gibt dann Anlass zu Zweifeln. Aber ich muss jetzt einmal nur mehr zwei Monate durchhalten, dann gebe ich mein Konzert. Und dann werde ich schon weiter sehen :)
bonanzaMARGOT - 12. Apr, 16:38

vielleicht liegt`s nur daran, dass man im alter seine defizite mit dem alter in zusammenhang bringt... früher hat man einfach gesagt "ich depp!" - kann also auch ganz angenehm sein, wenn man manches mit der anfangenden "alterstutteligkeit" entschuldigen kann.
iGing - 12. Apr, 19:46

"vielleicht liegt`s nur daran, dass man im alter seine defizite mit dem alter in zusammenhang bringt..."

Damit hast du völlig recht! Aber angenehm ist das nicht.

Wenn meine (erwachsenen) Kinder zu mir sagen "Ach Mama, das passiert uns doch auch!", antworte ich: "Schlimm genug, wenn es euch auch schon so geht." So als hätten sie kein Recht, in ihrem Alter etwas falsch zu machen, und als hätte ich in ihrem Alter sowas nicht erlebt, und als wäre es einfach wirklich unglaublich schlimm, dass es jetzt so ist. Daran halte ich sozusagen fest.

Manches habe ich auch tatsächlich in jüngeren Jahren nicht erlebt, und das erschreckt mich wirklich. Dann frage ich mich: Ab welchem Alter darf einem denn sowas passieren? Ist das (noch) "normal"? Aber wer kann einem das schon sagen!
bonanzaMARGOT - 14. Apr, 06:36

iging, der mensch verändert sich während seines gesamten lebens... ständig.
das alter nervt uns, weil es uns darauf hinweist, dass uns die zeit davon läuft, und natürlich nervt uns der körperliche abbau, der abbau an energie allgemein. das halbe leben sind wir wachstum oder wenigstens stagnation im körperlichen und geistigen bereich gewohnt, und dann setzt nach und nach eine entwicklung des abbaus ein...
besonders erheiternd finde ich das auch nicht, aber ich versuche es realistisch zu sehen. es ist so ähnlich wie bei einer progredienten chronischen krankheit: man kann den prozess nicht aufhalten, aber man sollte sich das ganze auch nicht schlimmer machen, als es ist; und dann gibt es da auch noch die gesunde lebensweise und blablabla.
bonanzaMARGOT - 12. Apr, 16:32

solange man noch weiß, was man sucht...
wenn das, was du beschreibst, im besonderen das altwerden auszeichnet, dann wurde ich schon ziemlich alt geboren.

steppenhund - 12. Apr, 16:42

Dann hast Du dir ja das ganze Lernen erspart :) :) :)
bonanzaMARGOT - 12. Apr, 17:01

stimmt, ich habe mir ziemlich viel gespart. die frage ist auch, ob ein dazulernen immer einen zugewinn bedeutet. ich bin der meinung, dass man viel zu viel unsinn lernen muss, wobei das leben selbst zu wenig gelernt wird.
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