10
Apr
2016

Traumdeutung

Vor zwei Tagen bekam ich eine Absage. Meine Einreichung zu einer Konferenz, an der ich gerne teilgenommen hätte, wurde abgelehnt. Das Ablehnungsschreiben war ungewöhnlich lang. Entweder war es Höflichkeit oder der Grund der Ablehnung war den Veranstaltern peinlich. Es lag nach Auskunft, die im Brief erteilt wurde, nicht an meinem Abstrakt, sondern ein ganzer Zweig, der in der Konferenz beworben worden war, sollte nicht mehr behandelt werden. Ich vermutete, dass es zu dem Thema zu wenige Behandlungen gab.
Ich kann das mittlerweile recht gut verkraften. Schließlich bin ich ja nicht mehr berufstätig. Aber in meinen Träumen hat es nachgewirkt.
Ich hatte mich für die Teilnahme einer Konferenz in Frankreich beworben, bei der es nicht um Software, sondern um das Klavierspiel ging. Mindestens eine Chopin-Etüde war gefordert. Interessanterweise wurde ich angenommen und eingeladen. Es ging eigentlich weniger um eine Konferenz, sondern um eine Art Workshop. Ich hatte vor mindestens drei Jahren an einem solchen Workshop teilgenommen und es hatte mir damals sehr gut gefallen. Vor wenigen Tagen wollte ich Informationen zu dem Workshop finden, konnte aber im Internet nichts dergleichen entdecken.
Ich war also mittlerweile nach Frankreich gefahren. Ich kann mich nicht an den Ort erinnern. Ein relativ klein gewachsener sehr freundlicher Franzose nahm mich auf und wies mir einen Arbeitsplatz zu. Obwohl das Thema noch immer Musik war, hatte sich das Ziel mittlerweile verändert. Ich bekam zwei kleine Informationskristalle, die mit Aufgaben beladen waren. Es ging aber nicht um das Erlernen weiterer Musikstücke, sondern um zwei kleine technische Probleme im Zuge der Programmgestaltung.
Jetzt begann eine technische Odyssee. Ich sollte ein kleines Programm erstellen, das auf einem Betriebssystem laufen sollte, welches ein Linux-Derivat war. In Wirklichkeit war es ein bestimmtes Unix-System. Linux und Unix sind sehr verwandt aber doch unterschiedlich. Als weitere Hürde war die verwendete Programmiersprache von ihrer Struktur her ein sehr ähnlich einem archaisch anmutenden C. Beherrschbar, aber ich hätte ein Referenzhandbuch benötigt, um die richtigen Befehle verwenden zu können. Jedenfalls war mein erster Versuch gar nicht so daneben, allerdings war ein Befehlswort falsch verwendet oder es gab dieses Befehlswort gar nicht. Ich suchte nach Information darüber und fand sie nicht. Der Franzose konnte nicht einmal meine Fragestellung verstehen, doch es gab zwei ehemalige Kollegen, die als ausgesprochene Gurus galten. Einer wollte mir helfen, doch er verstand meine Frage anfänglich auch nicht. Erst nach einiger Zeit kamen wir auf einen etwas fruchtbareren Zweig. Er zeigt mir einen Teil des Betriebssystems, der meinen eigentlichen Wunsch behandelte.
Das Problem, welches ich hatte, kann man mit dem Begriff Fehlerbehandlung bezeichnen. Dieses Problem wurde früher von vielen Programmierern sehr rudimentär behandelt und manchmal nicht einmal das.
Jetzt wird die Sache etwas technischer. Es gibt zwei Arten von Fehlern: Die, welcher der Anwender macht und die, welche bereits der Programmierer gemacht hat. Zu jenen gibt es meistens dann eine Fehlermeldung, wenn das ursprüngliche Programm in eine Maschinensprache übersetzt wird. Diese sieht bereits der Programmierer, bevor das Programm tatsächlich verwendet wird. Heutzutage bekommt der Verfasser des Programms auch eine entsprechende Hilfestellung und weiß sofort, was er im Programm verändern muss. Die gab es aber nicht, weil irgendwie das ganze Betriebssystem aus uralten Zeiten zu stammen schien. Was ich eigentlich wollte, war eine Umgebung, die einen erkannten Fehler selbst korrigieren konnte. Es war unmöglich, dies meinen ehemaligen Kollegen zu erklären. Der Franzose war schon sehr frustriert, weil bereits bei der ersten Aufgabe ernsthafte Verzögerungen auftraten. Inzwischen kam eine Frau mit Kaffee vorbei, ich hatte aber noch keine passende Tasse. Also funktionierte auch die generelle Organisation nicht.
Im Traum gab es aber noch ein ganz merkwürdiges Detail. Als ich Einsicht in das Betriebssystem bekam, sah ich eine Software-Struktur, die als Bild betrachtet, den Oberschenkel eines großen Tiers zeigte. Er war der Längsrichtung nach aufgeschnitten, so dass man Knochen, Muskeln und Sehnen und deren Funktionalität erkennen konnte.
Schließlich erkannte ein Kollege mein Problem. Es gab aber keine vom System vorgesehene Lösung dafür. Mein Wunsch galt als unlösbar. Das trifft auch heute noch zu, doch eine entsprechende Behandlung wird bereits in Kürze Teil von intelligenter Software sein. In gewisser Weise kann auch heute ein Rechner bei Suchabfragen schon erkennen, was man eigentlich gemeint hat, auch wenn der Suchbegriff vertippt wurde. Wir machen uns keine Gedanken, wie das ein Suchprogramm eigentlich bewerkstelligt. Aber es gehören doch lange Jahre der systemischen Entwicklung dazu, um das Lernverhalten dem Anwender anbieten zu können.
Ich wachte auf und schrieb diese Zeilen. Für mich ist es bezeichnend, wie ich einige Details aus den Erlebnissen der letzten Woche im Traum verarbeitet habe.
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steppenhund - 10. Apr, 07:03

Es gibt ungefähr sechs verschiedene reale Erlebnisse und Gedanken, die hier eingeflossen sind. Diese Details sind aber für den Leser wohl ohne Belang.

bonanzaMARGOT - 10. Apr, 10:20

hm, wirklich interessant. nach möglichkeit notiere ich solche träume auch gleich nach dem aufwachen, wenn die skurrilen bilder noch frisch sind. das aufschreiben bedeutet, glaube ich, gleich eine mentale verarbeitung des ganzen. an traumdeutungen versuche ich mich lieber nicht. die halte ich eher für hinderlich oder irritierend.

steppenhund - 10. Apr, 12:23

Ich mache mir auch keine großen Gedanken über Deutung. Generell sehe ich das so: im Traum verarbeitet man Gedanken, zu denen man im Wachzustand nicht gekommen ist. In der Regel sind das ja, Eindrücke, deren Verarbeitung man verdrängt hat.
Das passiert allerdings recht selten, daher sind die Träume nie wirkliche Albträume. Mir reicht es zu wissen, welches Detail durch welchen realen Eindruck verursacht wurde.
Irgendwann habe ich gelesen, dass Träume so etwas wie der tägliche Osterputz im Hirn sind. Damit bin ich ganz zufrieden.
-
Im Gegensatz dazu kann ich gar nicht erst einschlafen, wenn irgendwelche Probleme mich zu stark beschäftigen. D.h. das ich momentan dann nicht einschlafen kann, wenn mich irgendetwas bei meinem Klavierprogramm zu sehr beschäftigt. Deswegen stehe ich dann auf und übe. Warum sollte ich wachliegen und herumgrübeln, wenn ich das Problem gleich adhoc lösen kann. Und wenn es 2 Uhr früh ist:)
bonanzaMARGOT - 10. Apr, 16:05

Ich hadere oft mit dem, was wir den Wachzustand nennen.
steppenhund - 10. Apr, 16:55

Wenn Du zur Wachzeit der Känguruhs auch wach bist, solltest Du nicht hadern :)
bonanzaMARGOT - 10. Apr, 18:49

wie du weißt, kommen die kängurus aus australien, und dort existiert die traumzeit...
die ist nicht ganz einfach wahrzunehmen.
oft geht es auch nur um das potential, etwas machen zu können, wenn man denn lust darauf hätte. dies macht z.b. die anziehungskraft von geld aus. ja, ich würde sagen, dass das potential, eine sache machen zu können, viel mehr genuss bedeutet, als sie tatsächlich auszuführen.
steppenhund - 10. Apr, 22:28

Ich stimme voll zu. Die Vorstellung allein kann ausreichende Befriedigung verschaffen. Aber es hilft auch, wenn man manchmal es sich auch selbst beweist.
Bei mir hat das zwar mit der Serbien-Aktion nicht so geklappt, wie ich es mir vorgestellt hatte, doch letztlich bin ich mir treu geblieben und daher war es letztlich doch ein Erfolg, der mich befreit hat.
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