10
Mrz
2016

Die Geister, die ich rief

Vor zwei Tagen schrieb ich dieses:
<a href="https://steppenhund.twoday.net/stories/ein-historischer-moment/"Erster Sieg eines Programmes in Go über den Menschen"

Dass dieser Sieg so rasch wiederholt werden kann, hätte ich nicht angenommen.
Es ist anzunehmen, dass wir in Zukunft noch in weiterer Weise überrascht werden.
Einige Menschen meinen noch immer, dass der Computer nur das tut, wofür er VOM MENSCHEN programmiert wurde. An den Selbstlernfähigkeiten von Programmen kann mittlerweile aber kaum mehr gezweifelt werden.
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david ramirer - 10. Mär, 16:46

ich glaube an die selbstlernfähigkeit von computern erst an dem tag, an dem mir ein computer einen originellen witz erzählt, den er sich selbst ausgedacht hat.

nicht, dass ich das nicht für möglich halten würde - aber bis dahin gedulde ich mich auch noch mit meiner angst.

KarenS - 10. Mär, 17:33

Vollste Zustimmung, Herr ramirer

Und auf Ihr Buch, Herr Steppenhund, bin ich schon sehr gespannt:-). Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall viel Erfolg!
steppenhund - 10. Mär, 22:35

David, erzähle Du doch einen Witz, den Du dir selbst ausgedacht hast.
Es gibt eine uralte SF-Geschichte von Isaac Asimor, der genau dieses Thema behandelt. Aus den 50er-Jahren schätze. Er geht noch mit Lochstreifen und einem Großcomputer, den nur die Operatoren bedienen dürfen.
Da wird etwas angesprochen, dass Salzia Landmann im Buch "Der jüdische Witz" sehr gut demonstriert hat. Es gibt nur ganz wenige Schemata, die variiert werden. Und so ist es mit Theaterstücken. Diese Schemata lassen sich leicht lernen. Komödianten der heutigen Zeit machen auch nichts anderes, als aus diesem Reservoir zu schöpfen.
Es ist aber trotzdem gut, dass Du dich geduldest. So wie viele andere Menschen das genauso handhaben und betrachten. Das gibt meinem Buch eine Chance:)
Aber Jules Verne hat auch niemand geglaubt.
steppenhund - 10. Mär, 22:36

ad KarenS. Danke für Ihre Erwartung. Die teile ich übrigens. Ich habe mir jetzt ausgerechnet, dass ich jeden Tag 3 Seiten schreiben müsste. Bis zum 12.6. werde ich das nicht schaffen, aber danach geht es los.
david ramirer - 10. Mär, 23:14

ja, herkömmlichewitze sind immer wiederkehrende variationen von überraschungsmomenten in immer wieder neuen skurrilen zusammenhängen, das stimmt schon. das meinte ich aber nicht.
ich dachte eher an eingestreute wortspielereien in einem gespräch, die spontan entstehen und zum thema dazupassen, ad hoc überraschen. das ist mir selbst schon oft gelungen, einige menschen schätzen das an mir - und das macht für mich auch eines der dinge aus, die für mich immer noch hochgradig "menschlich" sind - der spielerische umgang mit einer sache, in diesem fall der sprache.

eine (oder zehn) gewonnene go-partien gehören für mich nicht in diese sparte. das ist eher ein taktischer erfolg, der vor allem auch darauf beruht, dass das system viele millionen von partien gespeichert hat und zwischen diesen partien schlüsse ziehen kann. beeindruckend, ja - aber immer noch sehr im bereich dessen, was computer gut können: große datenmengen verwalten und verknüpfen.

ein anderes beispiel, das du vielleicht eher verstehen wirst: musik ist auch im grunde eine sehr mathematische sache (bzw. auf mathematischen und physikalischen grundprinzipien aufruhend). manche menschen, die keine ahnung davon haben, meinen auch, dass musik alleine mathematisch erklärbar ist. das ist natürlich unsinn.
computer können vielleicht tatsächlich auch eines tages aus all den millionen musikstücken, die bereits existieren, neue stücke destillieren, etwas produzieren, das wie musik klingt.
aber ich glaube nicht, dass dabei etwas herauskommen könnte, das es wert ist, angehört zu werden. hier geht es dann auch nicht um witz oder spontanität, sondern darum, dass musik eben mehr ist als die summe ihrer teile.

wie auch beim go-spiel: auch wenn der computer nun in der lage ist, beim go zu gewinnen... er hat wohl noch immer nicht verstanden, was der sinn des spieles ist. das selbe trifft auch auf schach zu und tic tac toe. gewinnen ist nicht das wesentliche, sondern das spielen an sich.

denn: wie sieht denn der gewinn bei der musik aus?
steppenhund - 11. Mär, 02:26

Ich verstehe schon, was Du meinst. Ich nehme an, dass meine Antwort viel zu ausführlich ausfallen würde. Aber das Thema wird ja in meinem Buch behandelt

Was der Gewinn bei der Musik ist, ist aber eine Frage, die ich unabhängig beantworten kann.
a) Radetzkymarsch - und jede Art von Militärmusik --> Die Soldaten marschieren frohgemut in den Tod. Und beim Neujahrskonzert sind die Leute ganz geil aufs Klatschen - endlich dürfen sie mitspielen.
b) Kirchenmusik - nachzulesen bei Palestrina, auch bei der Oper Palestrina von Hans Pfitzner, das Konzil, bei dem entschieden wird, ob Kirchenmusik zulässig ist. Ja, sie ist es, weil sie den Machtanspruch der Kirche festigt.
c) Musik zum Vergnügen - französische Musik und italienische Musik. Musik soll Freude erzeugen.
d) Musik zum Verbessern des Menschen - besonders ausgeprägt bei Beethoven, der den Menschen über die Musik Ethik nahebringen wollte.
e) Musik in Opern - Unterhaltung und Zurschaustellung, wie man komplexe Zusammenhänge mit Musik erleichtern kann.
f) Musik zum Tanzen - eine echt sinnvolle Art von Musik, international divergent aber ziemlich allgemein verständlich
g) Musik zur Beeinflussung des Kaufverhaltens
h) Musik zum Verführen von Frauen oder auch Männern - "man müsste Klavier spielen können"

Frage: was ist der Gewinn für den Komponisten? Er würde am liebsten Geld verdienen und überleben oder vielleicht in der heutigen Zeit sehr viel Geld verdienen.

Frage: was ist der Gewinn für den Interpreten (oder eine Gruppe)? Ich würde sagen, ähnlich wie beim Tanzen. Die Betätigung des Spielens wird durch die Musik als sinnvoll empfunden.

Frage: muss man Musik hören? In Dr. Faustus beschreibt Thomas Mann, dass der Genuss einer Musik auch im Notenbild zu finden sein kann. Ähnliches drückt Douglas Hofstadter in seinem "Gödel, Escher, Bach" aus.

Frage: gibt es auch noch andere Gewinnmöglichkeiten. Eine ganze Menge. Nicht ganz ernst zu nehmen: bei ernsthaften Musikern kann auch die Sublimation eine Rolle spielen. Die Kräfte, die sich sonst beim Sex entfalten, werden in der Musik gebunden. Ob man das will, ist eine andere Frage.

i) Manchmal ist Musik auch Sport - siehe bei der Islamey von Balakirev oder beim Scarbo von Ravel.

Wenn das jetzt alles etwas zynisch klingt, hätte ich noch eine andere Erklärung. Der Gewinn bei der Musik ist "Harmonie". Es gibt ein Buch, den Autor weiß ich jetzt nicht, das hat den Titel Nada Brahma (Alles ist Schwingung). Leuchtet ein. Unsere ganze Materie besteht aus Schwingungen. Dort wo sie besonders schön zusammen kommen, ist der Gewinn von guter Musik zu finden.
david ramirer - 11. Mär, 08:54

ich halte diese antworten überhaupt nicht für zynisch.

jedoch ähnlich wie bei der musik ist nicht ein "ergebnis a" zu erzielen, wenn jemand ein spiel wie go spielt. der wirtschaftliche faktor, der bei einer betätigung nur das scheinergebnis "gewinnen" als indikator für den erfolg ansieht, kann musik natürlich auch auf diese "goals" herunterbrechen.
aber es gibt noch viel mehr, das von dem, was computer zu leisten imstande sind, meilenweit entfernt ist. gerade das "verlieren" einer partie go oder schach kann den gewinn ausmachen. gerade das "nichtverstehen" einer stelle in einem musikstück kann die phantasie anregen.

in der malerei etwa ist es gerade das "falsche", das den wert eines bildes ausmacht - die abweichungen von der exakten übertragung. musik und ihre wirkung lässt sich nicht errechnen - übrigens auch einer der punkte, die douglas hofstadter in gödel, escher, bach unmissverständlich transportiert hat. bei aller präzision und mathematik, die bach beim komponieren "verwendet" hat, sind doch auch tiefemotionale kräfte am werk, die jenseits aller künstlichkeit sind.

meineserachtens wird auf das "gewinnen" von partien im go zu viel gewicht gelegt bei der erforschung der künstlichen intelligenzen.
mich würde ein rechner, der verliert und das mit humor nimmt, hundert mal mehr beeindrucken.
steppenhund - 11. Mär, 13:30

Das ist ein Kommentar, den ich vor einigen Tagen in einem anderen Kontext gepostet habe. Allerdings war er mir nicht so wichtig, dass ich ihn bei mir selbst abgespeichert hatte.

Es ist jetzt keine direkte Antwort, aber ich hätte das ursprünglich gerne in meiner ersten Antwort eingearbeitet.
>>>
Spielen oder Gewinnen ... das ist hier die Frage


Also ich bin da ja ganz anders gewickelt. Ich spiele überhaupt nur dann etwas gerne, wenn ich auch gewinnen kann.
Trotzdem kann ich dem Wunsch, nicht zwischen Gewinnern und Verlierern unterscheiden zu müssen, durchaus etwas abgewinnen.
Dazu gibt es aber noch einen weiteren Aspekt. Beim Schach kann jemand alles opfern und dann mit einer gelungenen Kombination den anderen matt setzen und damit gewinnen.
Beim Go, dem japanischen Brettspiel, bei dem in drei Tagen eine Entscheidung laufen wird, ob der Computer bereits den Weltmeister schlagen kann, sieht das etwas anders aus. Bei den besten Spielern werden die Gewinne in der Regel mit wenigen Punkten gewonnen. Wenn ein sehr guter japanischer Spieler gegen einen schwachen Spieler spielt, wird er ihn auch nicht vernichten, sondern nur gerade ein paar Punkte mehr machen. (So zumindest die hehre Theorie, die mir mein Vater einst erzählt hat.
Allerdings habe ich es selbst auch schon anders erlebt :) ) Und oft wird nicht einmal "gezählt". Während des Spieles zählt jeder Spiele seine Punkte, doch nach dem Spiel kommt es nicht so sehr darauf an, wer gewonnen hat.
Dabei waren die Japaner alles andere als zimperlich, wenn es um echtes Kriegsgeschehen ging. Doch Spiel ist Spiel.
Bei uns in Europa ist gerade umgekehrt. Da werden im Spiel Frustrationen des Lebens aufgearbeitet. So scheint es mir zumindest so.
Und auch wenn ich keine Frustrationen aufarbeiten muss, spiele ich selbst auch, um zu gewinnen.
Da ich im Go Meister war und im Schach Meisterkandidat, habe ich die Erfahrung gemacht, dass man verliert, wenn man nur auf Unentschieden spielt.
<<<

Anmerkung: in meinem Buch wird die Fragestellung Kunst vs. AI auch behandelt. Es stellt die größte Herausforderung dar, da (und das mag ein persönliches Vorurteil sein) ich die echten Künstler als eher unbestechlich sehe. Es ist daher sehr schwer, sie zu manipulieren. Aber ich glaube, dass ich diese Fragestellung schon ansatzweise gelöst habe. Womit die AI überhaupt kein Problem hat, sind Politiker, Verbrecher und Kirche. :)
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