5
Feb
2011

Nokia

Heute lese ich in www.orf.at und auf heise.de einen Bezug auf einen Artikel der wirtschaftswoche.
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Unter anderem kommt dabei folgendes vor:
"Zur Disposition stünden zum Beispiel der amtierende Nokia-Chefentwickler Kai Öistämö sowie Tero Ojanperä, derzeit für die Bereiche Services und Mobile Lösungen verantwortlich."
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Ich weiß nicht, ob ich mit Kai Öistämö Mitleid haben soll oder nicht. Einerseits war die Nokia-Entwicklung der letzten zwei Jahre echt im A...., andererseits weiß ich nicht, wie weit Kaida mehr getrieben wurde als dass er selbst hätte etwas ändern können.
Symbian als Betriebssystem war nicht so schlecht. Ein paar Entwickler haben geschlampt und dass ließ die Entwicklungsleitung durchgehen. Es gab genügend Anzeichen im Internet, dass die Softwarequalität zu wünschen übrig ließ. (Inklusive meiner eigenen Rückmeldungen:)
Dass die Touchscreen-Geschichte verschlafen wurde, kann eine Fehlentscheidung des Top-Managements gewesen sein. Genauso hat eine Fehlentscheidung einmal die zweitgrößte Computerfirma der Welt, DEC, umgebracht, weil Ken Olson die Bedeutung des Personal Computers unterschätzte.
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Jetzt sind Telco-Firmen in der Regel sehr schnell, wenn es geht, mit neuen Verkaufsmodellen neue Kunden über den Tisch zu ziehen. Nokia hat früher einmal mit dem Communicator Maßstäbe gesetzt, die lange nicht so leicht erreicht werden konnten.
Vielleicht ist es die Größe der Firma, die - ähnlich wie bei einem riesigen Schiff - das Ruder herumwerfen nicht so leicht gestattet.
Vielleicht ist es einfach die kommerzielle Ausrichtung, die jede Entscheidung nur nach ROI trifft, wo dann auch schon einmal ein Werk in Bochum über die Klinge springen muss.
Ich glaube, es ist diese Denkweise, die gnadenlos Know-how in der Firma vernichtet, Synnergien unmöglich macht und so blind ist, dass sie viel zu lange braucht, um Fehlentscheidungen zu erkennen. Sie werden erst dann erkannt, wenn wirklich der Umsatz einbricht.
Marketing und Image einer Firma kann allerdings diesen Einbruch noch lange hinauszögern - so lange, bis er dann wirklich nicht mehr zeitgerecht aufgefangen werden kann.
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In einer gewissen Weise FREUT mich daher die Misere von Nokia. Es scheint mir hier einmal die Frage beantwortet: "Ja, dürfen die das? Können die so kurzsichtig sein? Haben die nicht festgestellt, dass Entscheidungen, die ausschließlich auf kurzfristigen Return on Invest ausgerichtet sind, in die Hose gehen müssen?"
Die Antwort ist bitter. Nein, sie dürfen. Ja, sie sind so kurzfristig. Nein, die betreffende Ausprägung des Kapitalismus ist noch nicht widerlegt. Und der Markt reguliert sich selbst. (Was ich nicht für richtig halte.)
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Ich frage mich, ob das nur das Einläuten einer Reihe von weiteren Aha-Effekten auch bei anderen Firmen ist.
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Und offen gestanden würde ich jetzt auch kein Nokia mehr kaufen, wenn sie das Superduperüberdrüberiphoneandroid7-Handy bauen würden.
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virtualmono - 5. Feb, 17:53

Tja, iOS rules ;-) Und mit Nokia war ich in dem Moment durch, wo sie Bochum dichtgemacht haben, unabhängig von der immer schlampiger werdenden Software (kennt noch jemand das legendäre 5110? DAS war ein Bedienungskomfort... diese EINE Taste, mit der man kontextgesteuert wirklich ALLES machen konnte...).

Und der Markt reguliert sich selbst. (Was ich nicht für richtig halte.)

Das verstehe ich nicht - ist das "nicht" da hereingerutscht?

steppenhund - 6. Feb, 09:02

Nein, das nicht ist bewusst geschrieben. In manchen Fällen funktioniert Angebot und Nachfrage, aber sofern man überhaupt einen Staat haben will, gibt es Dinge, die nicht der Entscheidung des einzelnen überlassen sind oder überlassen werden sollten. In diesem Fall funktioniert der Satz nicht.
Die Deregulierung von Kfz-Versicherungen im Haftpflichtbereich hat dafür gesorgt, dass Versicherungen dumpen und sich den Verlust über Lebensversicherungen hereinholen.
Diese sind dann alles andere als für den Kunden förderlich.
Jemand, der also kein Auto hat, zahlt etwas für ein Produkt, dass er nicht bekommt. Das rächt sich aber auf die Dauer. Am deutlichsten wurde das 2001 sichtbar.
virtualmono - 6. Feb, 10:22

Hat sich nicht gerade 2000/2001 der Markt ganz wundervoll selbst reguliert (ich sach nur dotcomtod)? Oder meintest Du etwas anderes?
steppenhund - 6. Feb, 12:23

Ich präzisiere: ich sage nicht, dass es nie der Fall ist. Ich bestrete nur die allgemeine Gültigkeit. Es gibt Ausnahmen und die sind nicht zu knapp.
Sie treffen immer dann zu, wenn der Konsument nicht sämtliche Rahmenbedingungen kennt und daher nicht erkennen kann, dass er bei übermäßiger Nachfrage des Produkts A das Produkt B schädigt.
Nehmen wir an, es wird nur mehr industriell hergestelltes Futter verkauft und es stellt sich heraus, dass irgendein Schadstoff durch die Art der Herstellung passiert, so würde man wieder auf andere Futtermethoden zurückgreifen wollen. Doch die Hersteller der anderen Futter gibt es nicht mehr, weil sie ihre gesamte Geschäftsgrundlage verloren haben.
virtualmono - 6. Feb, 18:06

Aber wenn die Nachfrage dann wieder da ist, dann könnten sie ja wieder anfangen zu produzieren... das ist wie mit den analogen "Schlachtrössern" - Ende der 80er gingen reihenweise Produzenten von Analogsynthesizern ein (Moog, Sequential Circuits), weil Yamaha mit dem DX7 quasi das Ende einer Ära eingeläutet hatte... heute gibt es wieder neue analoge Moogs und Prophets zu kaufen, weil der Markt wieder da ist.
ossi1967 - 20. Feb, 15:09

Touchscreen-Geschichte

Ich bin mir nicht ganz sicher, inwieweit das angebliche „Verschlafen“ der „Touchscreen-Geschichte“ inhaltlich tatsächlich als Fehlentscheidung gewertet werden kann.

Was falsch eingeschätzt wurde war eine Marktbewegung. Aber spiegelt diese Marktbewegung wider, was Konsumenten eigentlich wollen? Oder kommt sie nur aufgrund der künstlich geschaffenen Bedürfnisse zustande?

Wenn mans genau betrachtet, ist der Touchscreen ein für Mobiltelefone völlig ungeeignetes Eingabemedium. Ich beobachte ja gerne die Leut, die mit ihren iPhones oder Androids in der U-Bahn sitzen. Klassiche Haltung: Handy in der einen Hand, mit den Fingern der anderen Hand draufpatschen. Ist das gut? Ist es nicht im Vergleich dazu wesentlich flinker und praktischer, mit nur einer Hand zu arbeiten? Den Daumen am gut ertastbaren, stabilen Steuerkreuz zu haben und auch im Stehen im ruckelnden Bus sicher durch Menüs navigieren zu können?

Ich glaube fest daran: Die anfänglich zögernde Reaktion der Finnen bzgl. Touchscreens, das Festhalten am bewährten Design, war inhaltlich und logisch richtig. So wie vieles andere inhaltlich und logisch richtig war/ist. Diese Entscheidung ging auch nicht wirklich an den Bedürfnissen der Konsumenten vorbei - nur an dem, was gelangweilte und uninformierte US-Technoblogger als Trend erfunden haben.

(Die gleichen Technoblogger übrigens, die allen Ernstes das iPhone als „Smartphone“ bezeichnet haben. Ein Schmäh, auf den tausende Konsumenten und Mainstream-Journalisten reingefallen sind, die vorher noch nie ein Smartphone hatten und gar nicht wissen, was das ist. Wie virtualmono oben. Aufgrund dieses PR-Stunts gelten heute Dinge als Smartphones, die nix können, aber einen Touchscreen haben.)

Genau das ist aber eines der finnische Probleme. Sie agieren rational. Sie schauen sich an, was es braucht, um ein Handy im Gehen mit dem Billa-Sackerl in der Hand bedienen zu können … und bauen das dann. Langweilig! Praktisch, aber langweilig.

Apple scheißt aufs Praktische, erklärt aber 150x, die Dinge seien jetzt „magical“ und „revolutionary“. Das erzeugt unfinnisches Kribbeln im Bauch. Und wenn man dann nach dem Billa-Einkauf am Heimweg stehen bleiben, das Sackerl hinstelllen, die Handschuhe ausziehen und beide Hände zu Hilfe nehmen muß, um eine SMS zu beantworten, dann kommt kein iOS-User auf die Idee, daß er grad magisch veräppelt wird. Er freut sich im Gegenteil einen Haxen aus, weil er so revolutionär umständlich Dinge tut, die er früher auf seinem alten Handy nicht mal bewußt wahrgenommen hat, weil sie nebenbei passiert sind. Und es kribbelt wieder im Bauch, weils so schön ist und so tolle Effekte hat.

Diese Gefühlsebene, diese Konsumenten sprechen iOS und Android an. Diesen Leuten geht auch nicht ab, was ihre Handys jetzt alles nicht mehr können - weil sie's eh nie verwendet haben. Weil sie nie ein Smartphone gebraucht haben. Weil ihnen ein 5110 völlig ausgereicht hat. Nokia konnte diese Konsumenten nie erreichen. Dazu sind die Finnen wohl wirklich zu kühl. Damit passen sie aber zu mir: Ich merk grad selbst, wie entsetzlich unpraktisch so ein Touchscreen sein kann. Wenn sich nicht bald was tut in der Richtung, steig ich für den täglichen Gebrauch auf ein S40-Handy um.


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