25
Mai
2019

Bach oder nicht Bach

Ein guter Bekannter schrieb mir einmal, dass er nicht in meine Konzerte komme, solange ich nur Beethoven spielen würde. Er ist aber auf Bach genauso fixiert wie ich zur Zeit auf Beethoven. Dagegen ist nichts zu sagen. Die beiden Komponisten sind durch einen Ausspruch von Hans von Bülow verbunden, der gemeint hat, dass Bach [in der Musik] das Alte Testament sei, sowie Beethoven das Neue.
Das mag vielleicht etwas übersteigert klingen, aber darauf kommt es nicht an. Es gab manche Pianisten, die sich ebenfalls auf ganz wenige Komponisten konzentriert haben. Sehr nett ist das Geständnis von Arthur Rubinstein, der in einer zweibändigen Biographie gestand, dass er zu Beginn seiner Laufbahn hauptsächlich Rachmaninoff und Tschaikovsky gespielt hat. Damit konnte er am leichtesten die Frauen erobern, anscheinend viele. Später, so schrieb er, hätte er sich auf mehr gehaltvollere Komponisten verlegt. Jetzt hat Rubinstein auch wirklich fast alles gespielt, und sein Chopin ist legendär. Mein Vater meinte, dass von allen Aufnahmen, die er kenne, Rubinstein den "echtesten" Chopin spielte. Da kann ich mir einen kleinen Seitenhieb auf Horowitz nicht verkneifen. Er sagte einmal, dass Das Klavier "Fortepiano" hieße. Man müsse also sowohl forte als auch piano spielen. Das Forte ist aber auf modernen Flügeln viel, viel lauter, als es von Chopin's Spiel überliefert wurde. Bei Rubinstein kann man den Eindruck gewinnen, dass er mehr der Delikatesse der Musik Beachtung schenkt.

Vor einigen Tagen habe ich mir eine sehr schöne Aufnahme der Sonate DV 958 von Franz Schubert angehört. Die wollte ich spielen, habe aber beim Anhören eine gewisse Ungeduld verspürt, weil der letzte Satz gar so lange dauert. Wenn ich selbst spiele, macht mir das überhaupt nichts aus. Aber dem Publikum möchte ich das nicht zumuten. Ich glaube, dass ich sie nicht so lange fesseln kann.

Jetzt wäre eigentlich die Gelegenheit, etwas Bach statt dessen zu spielen. Am Mittwoch hörte ich Andras Schiff mit h-moll Fuge und Präludium aus dem ersten Band des WTK, BWV 869. Wunderbar und inspirierend gespielt. Würde ich doch sofort in mein Programm aufnehmen, gäbe es nicht die noch immer unwidersprochene Bemerkung einer ehemaligen Freundin, dass ich Bach nicht spielen könne. Alles andere schon, aber nicht Bach. Den Gegenbeweis wollte ich nie antreten, weil ich auch heute noch denke, dass sie Recht hat.
Mal sehen, was meine Klavierlehrerin dazu meint. Sie hat bei meinen letzten Programmwünschen gesagt, dass ich ihr von den Zielsonaten ein paar Seiten vorspielen soll, damit sie sagen könnte, ob sie mir "liegen". (Ich habe ihr mein Vorhaben, alle Klaviersonaten einmal spielen zu wollen, nicht wirklich so explizit erklärt. Ich weiß z.B. selbst, dass mir die Hammerklavier-Sonate "nicht liegt". Aber trotzdem werde ich nicht aufgeben, sie zu üben. Momentan ist der angestrebte Konzerttermin für sie erst in zweieinhalb Jahren. Und wenn ich sie dann nicht kann, werde ich trotzdem weiterüben. Ab jetzt habe ich ja noch zwölf Jahre Zeit, wenn ich rechne, dass ich bis zum 80.Lebensjahr mit allen fertig sein muss.)

Vielleicht werde ich mich noch einmal an Bach heranwagen. Aber ich glaube, dass es dafür einen Gemütszustand benötigt, den ich noch nicht habe. Vielleicht müsste ich dafür einige Zeit in Asien meditieren, um die Einstellung eines Tiziano Terzani zu erreichen. ("Das Ende ist mein Anfang")
Aber solange es noch so viel andere Musik gibt, die ich noch nicht gespielt habe und die ich ebenfalls spielen möchte, wird Bach sicher noch warten müssen. Für den gibt es Berufenere.

Und eine Aufnahme aus älteren Tagen:

https://www.youtube.com/watch?v=iul8svMTqfc
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Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
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