9
Jun
2014

der kleine Spaziergang

Dieser Text entstand aufgrund eines sehr gut gemeinten und guten Kommentars, der mich vor einer Pianistenlaufbahn warnen wollte. Nicht, dass dies in meinem Alter noch notwendig sein sollte. Aber er hat mich zum Nachdenken angeregt.

Ich habe noch einmal über die Musiker-Laufbahn nachgedacht. Mein Vater war kein Berufsmusiker. Franz Schmidt, ein bedeutender Komponist, hat ihn als Schüler abgelehnt, weil mein Vater damals mit seinem Bauingenieursstudium fast fertig war. Die zwei Jahre Musikakademie daneben waren für Schmidt nicht ausreichend, um ihm ernsthafte Musikertendenzen zu beweisen.
Mein Vater hat dann ungefähr ab dem 50. Lebensjahr nebenberuflich Musikvorträge gehalten. (Mit 55 Jahren wechselte er zu einem neuen Arbeitgeber (Rechnungshof), hat aber die Vorträge bei seinem alten weiter geführt.) Sein Publikum ist ihm 20 Jahre lang treu geblieben. Er hat es von Händel und Bach bis zu Prokofiev, Richard Strauss und Schostakovich und Ernst Krenek getragen. (Schallplattenvorträge mit Einführungen für besseres Verständnis von Aufbau, Struktur und Themengestaltung)
Ich habe beim Spielen zugehört, wenn er die Vorträge erarbeitet hat. Dadurch habe ich damals ein ziemliches Repertoire kennen gelernt.
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Wenn ich heute so etwas wie ein "Konzert" gebe, hat das verschiedene Anlassfälle. Einer war mein 60. Geburtstag. Da wollte ich noch einmal Liszt, Mussorgsky und hauptsächlich Schubert zeigen. Ich wollte mir auch beweisen, dass ich das schaffe. Das waren damals 2 Stunden Programm und ich musste echt Kondition trainieren, um durchhalten zu können.
Das Konzert in Belgrad für ungefähr 50-60 Personen geschah auf Wunsch anderer. Für mich gab es einen kommerziellen Hintergrund: Image-Werbung für meine Firma. Die Leute (es waren "wichtige" Zuhörer dabei) werden vermutlich Werbung machen, wenn ich wieder so etwas veranstalten sollte.
Vor 25 Jahren hatte ich in Japan großen kommerziellen Erfolg, weil ich mir nicht zu gut war, in Privathäusern bei Hausmusikabenden aktiv zu werden. Da kamen die Töchter von gut situierten "Bürgerlichen", die gerade ihre Diplomarbeit einstudierten. Alle waren ganz entzückt, dass ich da praktisch jedwedes Stück vom Blatt begleiten konnte.
Und da komme ich zu meinem Punkt: er betrifft Hausmusik. Es ist ja gerade der Verzicht auf professionelles Solistentum, der es ermöglicht, den Leuten die Klassik und Romantik in der Weise nahe zu bringen, dass sie erkennen, wo der Unterschied zwischen der Konserve und dem echten Musizieren liegt. Das könnte ich durchaus noch einmal als erstrebenswert für mich ansehen. Ich muss dabei nichts verdienen. Eine Gruppe von 30 Zuhörern, die etwas bekommen, was sonst praktisch nicht mehr erhältlich ist, reicht vollkommen aus, um bestimmte Mühen auf sich zu nehmen.
In der Beziehung bin ich weitaus professioneller als viele Berufsmusiker. Wenn ich einmal die ganz großen ausnehme, (an die ich leider technisch nie herankommen kann) gibt es eine ganze Reihe von Musikern, die sehr gut spielen, aber keine Musik machen. Sie spielen die Musik herunter. Unabhängig von Saalakustik, unabhängig vom Flügel, unabhängig davon, wie ihre eigene Gefühlslage ist. Professionell halt. Aber genau das Gegenteil davon ist Musizieren.
Ich habe mir ja jetzt zum Ziel gesetzt, alle 32 Beethoven-Sonaten spielen zu können. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit, besser Vergnügen. Nicht professionell. Doch wenn ich es zustande bringe, gehöre ich vielleicht zu eintausend Spielern, die das überhaupt bisher geschafft haben. Konserven gibt es weniger. Aber ein Professioneller wird das nicht in Angriff nehmen, wenn er keinen Vertrag bekommt, es auch aufführen zu können. Ich brauche keinen Vertrag. Meine Pension reicht vollkommen aus. Wird ausreichen. Ich verdiene jetzt nicht mehr, als ich in der Pension bekommen werde.
Von Laufbahn brauche ich doch mit 63 nicht mehr träumen. Ich habe meine Laufbahn schon absolviert.
Aber für einen kleinen Spazierweg werde ich immer zu haben sein :)
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Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
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