12
Aug
2013

Sic transeunt res mundi

Erwin Chargaff soll gesagt haben, dass der Mensch zwei Kerne in Ruhe lassen sollte: den Atomkern und den Zellkern.
In beiden Fällen hat die "wissenschaftliche Neugier" gesiegt.
Es gibt zwei Großtechnologien, die mit den beiden Fällen assoziert sind: die Atomtechnologie und die Gentechnologie.
Bei der Atomtechnologie hat es sich bereits herausgestellt, dass der Mensch mit der Komplexität der damit verbundenen natürlichen Gegebenheiten nicht umgehen kann. Er erkennt die Gefahren zu spät. Wahrscheinlich muss erst einmal in Deutschland ein Atomkraftwerk in die Luft gehen, damit ein Umdenken erfolgt.
Bei der Gentechnologie sind die möglichen Gefahren noch nicht so sichtbar, selbst wenn sich heute schon engagierte Gegner durchaus mit vernünftigen Argumenten teilweise durchsetzen können. In typischer Kassandra-Manier würde ich meine persönliche Meinung vertreten, dass die Retorte einmal zum Aussterben der Menschheit führen wird. Und zwar wesentlich früher als es interstellare Phänomene wie ein Meteoreinschlag oder das Erkalten der Sonne bewirken können.
Es gibt nun eine dritte Großtechnologie, die auf den ersten Blick nicht so gefährlich erscheint: die IT, die Informationstechnologie. Sie hat mit den beiden anderen etwas gemeinsam: sie definiert sich durch irreversible Vorgänge. Es gibt keine "Undo"-Funktion. Fukushima kann man nicht rückgängig machen. Eingriffe in die Ökosphäre werden eventuell zum Aussterben bestimmter Arten führen und eine entsprechende Kettenreaktion, die bis zu den Belangen des Menschen greift, wird einsetzen.
Vermutlich wird relativ bald versucht werden, die Eigenschaften von Kindern in der pränatalen Phase zu verbessern. Bei einer entsprechenden Manipulation werden andere Eigenschaften beeinflusst werden, die sich von Immunschwäche bis übertriebene Aggression auswirken können.
In der Informationstechnologie befinden wir uns jetzt an der Schwelle, an der das Privatleben des Menschen öffentlich sichtbar wird.
Selbst wenn sich der Einzelne der IT verweigert, was heute nur mehr Menschen außerhalb des Berufslebens und ab eines gewissen Mindestalters schaffen können, sind bestimmte Daten von ihm ersichtlich, selbst wenn er auf die Benutzung eines Mobiltelefons verzichtet.
Diese Einzelnen befinden sich aber bereits in der Minderzahl, wenn man die industrialisierten Nationen ansieht.
Was dabei so gefährlich anmutet, sind die Protagonisten. So wird mit dem Ausdruck "smart" geworben, wenn es darum geht, sämtliche verfügbaren Daten für eine bessere Planbarkeit von Städten, ihrer Infrastruktur und von Ländern zu nützen. Der Ausdruck "bigdata" wird heute in der Werbung von IT-Firmen benützt und drückt aus, dass es für die größten Datenmengen bereits Algorithmen gibt, mit denen Einzelinformationen herausgefiltert werden können. Es mutet sehr kindisch an, wenn heute noch mit dem Argument gearbeitet wird, dass die Maschine den Menschen nicht ersetzen könnte.
Obwohl ich das prinzipiell heute noch behaupten könnte, bin ich nicht sicher, ob das in einhundert Jahren noch gilt. Wenn das Fernsehprogramm nur mehr mit Blick auf die Einschaltquoten gestaltet wird, ist es ziemlich leicht, die Programmplanung dem Computer zu überlassen. Damit ist ein Beeinflussungspotential der großen Masse gegeben, mit dem viel veranlasst werden kann. Vielleicht passiert das ja bereits, ohne dass wir davon in Kenntnis gesetzt werden.
Etwas anderes ist in den letzten Jahrzehnten passiert. Ganz legal mit schriftlichen Verträgen wurden die Deutschen vom amerikanischen Geheimdienst überwacht. Das war eine Folge des verlorenen Weltkrieges und eigentlich nicht einmal unerwünscht, denn zu Zeiten des kalten Krieges war der Amerikaner der Freund und man sah mehr die Schutzfunktion als die Überwachung.
Die Aufregung, die sich aufgrund der letzten NSA-Enthüllungen ergeben hat, ist vollkommen unnotwendig. Geheimdienste operieren geheim. Wozu werden wir mit unzähligen Action-Filmen gefüttert, die wir uns mit großer Begeisterung und dem entsprechenden Griff in die Kinokartenbörse ansehen.
Ich darf hier daran erinnern, dass die IT eine Großtechnologie ist. Einmal losgetreten, ist sie nicht mehr aufzuhalten. Es gibt heute kaum mehr öffentliche Telefone. Viele Menschen haben schon das stationäre Telefon abgemeldet und sind nur mehr über das Mobiltelefon erreichbar. Diese Telefone haben heute die Leistungsfähigkeit von Computern aus dem Jahr 2003 oder 2005. Sie sind besser vernetzt als sämtliche Computer zum Zeitpunkt, als das WWW erfunden wurde. Der Anteil an intelligenter Elektronik in heutigen Autos nimmt stetig zu und wird in der Werbung freudig herausgestellt.
Die sozialen Netze zeichnen sich durch eine Verknappung der geschriebenen Texte aus. Bald werden wir uns nur mehr Emoticons zusenden. Damit kommen wir auf eine alte Kultur zurück, die der chinesischen Sprache. Während die Chinesen durch ausländische Ausbildungen auf Englisch als lingua franca zurückgreifen und auf einmal alle anderen an wissenschaftlichen Publikationen überholen oder überholen werden, reduziert sich die Ausdrucksfähigkeit unserer Jugend auf die ideogrammatischen Aussagen: "es geht mir gut", "es geht mir schlecht", "ich habe Hunger".
Es ist etwas im Gange, das aufgrund der Ergebnisse in der IT, nicht mehr aufhaltbar ist.
Ich frage mich jetzt nur, was wird die nächste Großtechnologie werden?
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Wobei nähen sich ja viel...
Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
Schwallhalla - 26. Feb, 10:30

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