16
Sep
2010

Reiseblognachlese

Wie zuletzt beschrieben, gab es heute noch einen Eintagestrip. (Ab Sonntag wird es dann ja eine länger Abwesenheit sein.)
Die Besprechung war ok, war vermutlich auch gut im Sinn von Kundenhygiene und hat 3 Stunden gedauert, obwohl ich mit maximal 2 Stunden gerechnet hätte. Die Informationen waren gut, allerdings eher zur Vorsicht gemahnend, was allzugroßes Engagement in einer geplanten Sache anging.
Der Trip nach Köln war ebenfalls ok. Meinen Rückflug hatte ich schon eingecheckt. Sorgfältig hatte ich mich nach den Verbindungen zurück erkundigt. Klare Sache: spätestens halb acht Abfahrt von Köln, dann S7 zum Flughafen, Skyliner zum anderen Terminal und gemütlich durch die Security spazieren. Abflug 20:45 AB 8122.
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Ich könnte ja schreiben, dass ich einfach Lust auf eine Nougattorte beim Eigel in Köln hatte, so wie man in Wien die Kurkonditorei Oberlaa besuchen würde.
Aber tatsächlich, - nachdem ich doch Mahler auf der Couch (von Freud) gesehen hatte - war mir nach Konsultation in der Praxis Dr. Schein zumute. Da etwaiges Rauchverhalten in Deutschland gleich an zweiter Stelle der Verbrechen nach Kinderverzahrerei (Pädophilie) kommt, mussten wir uns die dicken Zigarren aus dem Film versagen. Dafür gab es zwei dicke Steaks, die ganz ausgezeichnet waren. (Irgendwie hieß das Lokal Chicago-Steakhouse oder so ähnlich.)
Die Sitzung selbst verlief sehr konstruktiv, über den Erfahrungsaustausch der Geschehnisse der letzten zwei Jahre, in denen wir uns nicht gesehen hatten, erfuhr ich viel über mich. Oder besser: er erfuhr viel über mich und ich erfuhr viel über ihn und ich hatte das Gefühl, locker und geheilt zu sein. Selbst die Kellnerin schien ob meiner gelösten, scherzhaften Launenhaftigkeit erfreut zu sein.
Allzuviel ist ungesund. Allzuviel Gelassenheit.
Nach der bewussten Eigeltorte schlenderten wir am Dom vorbei wieder zum Bahnhof. Sein Zug würde ein paar Minuten nach meinem gehen.
Sein Zug hatte 25 Minuten Verspätung. Das tat mir zwar für den guten Herrn Doktor leid. Doch das Hemd ist einem näher als der Rock. Zuerst einmal eine Fahrkarte aus dem Automaten gezogen. Deutsche Fahrkartenautomaten sind - darüber will ich jetzt aber gar nicht schreiben.
Jedenfalls gab es die große Überraschung als wir zum Gleis gingen, auf dem mein Zug erwartet wurde. 25 Minuten verspätung. "Ätsch, Du Hund, gleiches Recht für alle. Hättest Du den Doktor anständig bemitleidet, hätte dir das Schicksal nicht diese Lehre erteilen müssen." Weil ich mittlerweile bei solchen Terminen etwas Sicherheit einplane, war die Verspätung kein großes Drama. Ganz im Gegenteil erlaubte sie mir erlesene Schokolade und Marzipan vom Hussel zu erstehen. Die wird zuhause sicher gut ankommen.
Dann kam der ICE, der Doktor entließ mich wieder in das feindliche Leben, nicht ohne dass ich ihm das Versprechen abgeluchst hatte, dass er auch einmal in Wien ordinieren würde.
Vielleicht sollte ich erwähnen, dass wir bereits beim Warten auf meinen ICE einen anderen vorbeifahren "hörten". In so grausigen Quietschtönen, dass ich nicht freiwillig eingestiegen wäre. Machen das alle ICEs, wenn sie alt werden. (*grübel*)
Ich setzte mich in den Speisewagen und bestellte einen Tee. Ein bisschen ärgerte es mich, dass der Zug so langsam unterwegs war. Mir kam vor, dass er bestrebt war, noch etwas mehr an Verspätung aufzureißen.
Um 20:06 kündigte die Zugbegleiterin an, dass wir um 20:09 in Düsseldorf ankommen würden. Spät, aber noch managebar. Ich hatte mich schon damit abgefunden, ein Taxi nehmen zu müssen. Der Zug gehorchte sofort! Das heißt, er gehorchte auf seine eigene Art: er blieb stehen. In einer Kurve, der Waggon brav in Pendelstellung verharrend. Es war durchaus interessant zu bemerken, wie stark sich der Zug in die Kurve legen kann. Ich dachte, gleich fällt der Waggon um. Es war eindeutig, dass es sich um eine Hochgeschwindigkeitskurve handelte. Vermutlich mit einer Beschränkung auf 160 km/h, vielleicht auch noch schneller. Mein Zug bewegte sich mit 0 km/h und das eine ganze Zeit lang.
In Düsseldorf Hbf "landeten" wir dann um 20:22. (Zur Erinnerung: mein Flug sollte um 20:45 gehen. Geschätzte Fahrzeit Bahnhof-Flughafen ca. 20 Minuten)
Ich versuchte es trotzdem. Der Taxifahrer war sehr freundlich. "Heute ist ein bisschen mehr Verkehr auf der Straße." Er schob sich recht geschickt an den verschiedenen Autos vorbei, die im Schneckentempo Düsseldorf bevölkerten. Ich glaube, dass mein Fahrer so ein genmanipulierter Türke ala Sarrazin war, so ein ganz dummer Mensch also. Er kündigte mir an, dass wir spätestens 20:38 am Flughafen sein würden. Geschafft hat er dann 20:35.
Ich ohne Quittung, reichlich Trinkgeld geben, starte zum Eingang. In einer Minute bin ich bei der Security. In der Fast Lane, wo sich allerdings unglückseligerweise eine Rollstuhlfahrerin gerade vor hinter dem Durchgangstor gemütlich eingerichtet hat.
Ich ziehe sogar die Hosenträger aus, um das Risiko zu vermindern, dass die Glocke anschlägt. Das Risiko, die Hosen zu verlieren, schätze ich in diesem Moment als das mit der geringeren Schadenswirkung ein.
Alles klappt. Ich bin wieder angezogen, fertig, und habe noch 4 Minuten, bis mein Flieger abfliegt. Ich weiß nur noch nicht wo.
Also muss ich zuerst noch den Weg zur Anzeigetafel machen. Das ist ein Umweg, weil mein Gate, was ich erst jetzt erfahren kann, noch einen Stock höher ist. Was ich weiters noch erfahre, ist, dass der Flieger schon weg ist.
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Nein, das habe ich nicht erfahren. Der Flieger hat selbst 30 Minuten Verspätung. Traumhaft. Wohin soll ich jetzt mit all meinem Adrenalin. Ich gehe in den Dutyfree-Laden. Dort könnte es Herren-Kosmetik von Biotherm geben. Ganz neue Linie. Vermutlich gut. Ich kaufe trotzdem nicht. Ich schau lieber alt als biothermisiert aus. Dann suche ich mein Gate auf. Dazu muss ich Treppen hochsteigen. In einem neuen Flughafen. Ich will zur Rolltreppe, die sich hinter einer Tür verbirgt. Die Sicherheitsbeamten rufen mich zurück. Dort darf ich nicht. Ich deute auf die Treppen: da soll ich hinauf? Sie nicken. Ich meine: ich muss da wirklich zu Fuss hinauf? Sie deuten auf den Lift auf der anderen Seite. Ich beschließe: "na, ich kann ja auch zu Fuss gehen." Sie lachen ganz freundlich. Oben ist noch einmal ein Dutyfree-Shop. Nicht kleiner als das einen Stock tiefer. Mir kommt vor, dass die gleiche Biotherm-Kosmetik für Männer um 9 Euro billiger ist. Ich kaufe trotzdem nicht. Aufmerksam sehe ich mir die Inneneinrichtung des Wartebereiches an.
Ich brauche eine Steckdose für mein Handy. Ich finde eine, aber ich habe Angst, dass ich dann das Handy vergesse. Also lade ich es vom Laptop aus auf. Der hat noch genügend Kraftreserve.
Jetzt könnte die Geschichte ja aus sein. Mitnichten.
Die halbstündige Verspätung dehnt sich ganz im Geheimen (ohne Ansage) auf eine ganze Stunde aus. (Ich hätte mir doch die Quittung vom Taxifahrer geben sollen.)
Endlich werden wir hineingelassen. Ich sitze wunschgemäß in der ersten Reihe auf dem Gangsitz und beobachte die Stewardessen.
Mathematik braucht man doch!
91. Noch einmal durchgehen. 92. Na geh, du hast dich verzählt. Jetzt gehe ich ein zweites Mal: 92. Also bitte, ich kann doch zählen. Im Bereich der Eingangstür verdichtet es sich. Flughafenpersonal in gelben Westen und Checklisten schauen fragend herein. Kurz darauf verlässt der Kapitän das Cockpit. Ich frage die eine Stewardess, ob jetzt sie fliegen wird.
Sie verneint lachend und beginnt mir das Sakko auszuziehen. D.h. ich hatte es schon ausgezogen, sie verstaut es nur in der Ablage. Bevor noch etwas mehr ausgezogen wird, heißt es noch einmal 92. Also irgendein Passagier, einer der jetzt identifiziert wurde und nach vorne kommt, hat keinen Boarding Pass. Sein Ticket ist in Ordnung, aber er scheint an der Kontrolle vorbei gekommen zu sein. 91 Personen eingecheckt, 92 Personen im Flugzeug. All das dauert noch einmal 20 Minuten.
Um 23:00, also eineinhalb Stunden später als im Flugplan, landet der Flieger in Schwechat. Eine dreiviertel Stunde später bin ich zuhause.
Mit dem Gefühl, dass ich doch noch lebe. Ab dem Zeitpunkt, als ich von der Verspätung des Fliegers hörte, hatte ich sogar gewisse Genussgefühle. Auch wenn ich den Flieger verpasst hätte, wäre mir schon etwas eingefallen. Dann hätte ich mich vielleicht auch noch bei einem Freund in Düsseldorf rühren können, den ich diesmal auslassen musste. (Sorry, l.s., nächstes Mal, beide Termine wären sich nicht ausgegangen.)
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Aber um jetzt auf das Türkengen zurückzukommen: eine Nation, die es nicht schafft, eine einigermaßen vernünftige Zugverbindung zwischen Köln und Stuttgart zustande zu bringen, ohne dass zwischen zwei Zügen fast eine Stunde tote Zeit liegt, braucht sich wegen Überfremdung und Kulturschock keine Gedanken zu machen. Vielleicht sollte man froh sein, dass Deutschland heute keinen Weltkrieg mehr führen könnte, weil selbst unter günstigsten Bedingungen kein Nachschub gesichert werden könnte, wenn nicht einmal in Friedenszeiten die deutsche Eisenbahn funktioniert. Ich glaub, dass der Mehdorn ein Deutscher war. Oder war der Türke und das war bereits die erste Attacke einer Türkeninvasion: zerstört die Nachschubwege.
Mehdorn, das Gen, das die deutsche Eisenbahn mit Dornen verziert hat.
Die Kommentare von anderen Reisenden im ICE habe ich mir leider nicht wörtlich gemerkt. Aber da waren auch ein paar recht markige Sprüche dahinter. Köln - Düsseldorf 40 Minuten, da muss man ja sogar die Regionalzüge noch konsequent einbremsen!
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Wobei nähen sich ja viel...
Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
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