Ein bisschen zu plump
Die anderen Schreibstilanalysen empfinde ich ja als schmeichelhafter. Angesichts des Textbeispiels kommt mir das Analyseergebnis doch etwas plump vor. Nor weil ich den Kapitalismus erwähne, sollte ich gleich wie Marx schreiben. Ich kann nur skeptisch grinsen. Aber mein Text gefällt mir auch noch nach einigen langen Jahren. Also bekommt er jetzt einen eigenen Eintrag;)
Das zugehörige Beispiel ist:
Als Kind eignete ich mir folgende Disziplin an. Kurz vor dem Einschlafen konzentrierte ich mich auf das, worüber ich träumen wollte. Konkret gelang mir das recht gut bei elektrischen Eisenbahnen. Tatsächlich kann ich mich nur an zwei Nächte erinnern, in denen es tatsächlich zutraf, aber das reichte mir, um daran glauben zu können, dass es funktionieren könne.
Ein paar Mal gelangen mir im Schlaf die Lösungen von schwierigen Aufgaben. An eine erinnere ich mich nur zu genau. Wir hatten einen ziemlich strengen und wohl auch unnahbaren Professor in Darstellender Geometrie, der ziemlich gnadenlos die Aufgaben bewertete. Ich mochte DeGe und hatte damit wenig Schwierigkeiten. Doch einmal bekamen wir die Aufgabe, eine Kugel zu zeichnen, die durch drei gegebene Punkte gehen würde und eine bestimmte Tangente berühren müßte. Keiner von uns konnte die Aufgabe innerhalb einer Woche lösen. Zu unserer Überraschung schien das den Professor nicht zu rühren, er verlängerte die Frist um eine Woche.
Da ich in einem Wiener Bezirk aufwuchs, der durch seine Heurigen bekannt ist, war es unter uns Schülern üblich, abends auch mal eine Streiftour durch die Heurigen zu machen, immer in der Hoffnung, von einer erotisch interessierten Dame aufgelesen und verführt zu werden.
Eines Nachts nach einer Heurigentour, bei der ich vielleicht ein Viertel Wein getrunken hatte, wachte ich umvier Uhr früh aufgrund eines Traumes auf. Ich hatte im Traum die Lösung gefunden und mich selbst aus dem Traum katapultiert, damit ich sie aufschreiben könne. Mit geschlossenen Augen wiederholte ich im Bewussten den Lösungsweg. Danach wagte ich die Augen aufzuschlagen, machte das Licht an und schrieb ein Wort auf: Sekantensatz.
Die Lösung war richtig, die Kugel konnte unter der Zuhilfenahme des Sekantensatzes konstruiert werden. Was mich damals aber am meisten begeisterte, war der Umstand, dass der Sekantensatz in der zweiten oder dritten Klasse gelehrt worden war und ich ihn seither nicht gebraucht hatte. Für mich schien das der Beweis, dass nichts, was man gelernt hätte je in Vergessenheit geraten würde, egal wie tief es verschüttet läge.
Ich versuche mir das in Erinnerung zu bringen, wenn ich auf totales Unvermögen bei anderen Leuten stosse, mich verstehen zu können. Ich bilde mir ein, alles erklären zu können, was ich selbst verstehe. Doch beschränke ich mich dabei auf ein bestimmtes Niveau der Einfachheit, welches es erlaubt, die komplizierten Dinge als gegeben anzunehmen. Alles was schwierig ist, wird mit dem Hinweis auf den im Detail liegenden Teufel aus dem Erklärungsbereich geschoben.
Versuche ich hingegen etwas aus dem Detailbereich zu erklären, so setze ich voraus, dass die Grundlagen beim Zuhörer bekannt sein müssen. Man kann nicht jemand die Erddrehung erklären, wenn er die Erde für eine Scheibe hält. Daher bin ich zunehmend verärgert, wenn jemand von mir verlangt, ich solle einen komplexen Zusammenhang so einfach erklären, dass er ihn auch dann verstehen kann, er selbst selbst aber nicht bereit ist, irgendetwas zu seinem besseren Verständnis beizusteuern.
Nach einer solchen Präambel pflegt beim Zuhörer die Frage zu kommen: worauf will er denn jetzt hinaus. Alles gut und schön, aber was bringt mir das bei meinem Problem?
Das Problem habe ich ja bisher ganz außer Acht gelassen. Die einen nennen es Pisa-Studie. Die anderen beklagen den Umstand, dass in Österreich manche Hauptschulkinder bei Eintritt noch nicht ihren Namen und Adresse richtig schreiben können. Da geht es um Einheimische, nicht um Ausländerkinder. Eine andere Formulierung könnte so lauten, dass ein Ehepaar, beide verdienend, mit einem Kind bereits überfordert sind. Folgerung: das Kind wird vom Elternhaus in die Schule abgeschoben, Beispielwirkung zuhause fehlt. Weitere Folgerung: einige Kinder schaffen es nicht, aus der Volksschule den entsprechenden Lerninhalt herauszunehmen. In der Studie wird dann eine entsprechende Statistik über bildendes Unvermögen bescheinigt.
Es erscheint etwas unlogisch, wenn in unseren Breitengraden verkündet wird, dass nur intelligente Arbeit sich gegen die der Billiglohnländer werde durchsetzen können. Das Postulat von der Notwendigkeit der besten Ausbildung für gute Jobs steht im Widerspruch zu der immer augenscheinlichen Fähigkeit, Bildungsinhalte auch wirklich aufnehmen zu können. Heute ist es müßig, über die Notwendigkeit eines Lateinunterrichtes zu diskutieren. Wir sind bereits bei Deutsch angelangt. Muss sich ein Spezialist der Informatik noch auf Deutsch ausdrücken können? Muss er beschreiben können, was er macht? Ist es unanständig zu fragen, wodurch technische Entscheidungen beeinflusst werden?
Ich ziehe das Beispiel der Informatik sehr gerne heran, denn die hier unterstellte Technologie ist eine „Grosstechnologie“. Grosstechnologien gelten als gefährlich, Beispiel Gentechnologie, Atomnutzung. Mit einer vernünftigen Informatik läßt sich vermutlich größerer Nutzen schaffen, als es sich die Protagonisten oder auch die durchführenden handelnden Personen vorstellen können. Genausowenig können sich die meisten derselben aber auch vorstellen, wie viel Schaden sie mit Ignoranz und mangender Kommunikationsmöglichkeit anstellen können.
Eine falsch genützte Informatik kann die Auswirkungen des Kapitalismus bis zu seiner Selbstzerstörung verändern. Die Kenntnis von der Verwendung von Tabellenkalkulationen ersetzt nicht das notwendige Gefühl, welches man den Bedeutungen von Zahlen anberaumen sollte.
Karl Marx
Das zugehörige Beispiel ist:
Als Kind eignete ich mir folgende Disziplin an. Kurz vor dem Einschlafen konzentrierte ich mich auf das, worüber ich träumen wollte. Konkret gelang mir das recht gut bei elektrischen Eisenbahnen. Tatsächlich kann ich mich nur an zwei Nächte erinnern, in denen es tatsächlich zutraf, aber das reichte mir, um daran glauben zu können, dass es funktionieren könne.
Ein paar Mal gelangen mir im Schlaf die Lösungen von schwierigen Aufgaben. An eine erinnere ich mich nur zu genau. Wir hatten einen ziemlich strengen und wohl auch unnahbaren Professor in Darstellender Geometrie, der ziemlich gnadenlos die Aufgaben bewertete. Ich mochte DeGe und hatte damit wenig Schwierigkeiten. Doch einmal bekamen wir die Aufgabe, eine Kugel zu zeichnen, die durch drei gegebene Punkte gehen würde und eine bestimmte Tangente berühren müßte. Keiner von uns konnte die Aufgabe innerhalb einer Woche lösen. Zu unserer Überraschung schien das den Professor nicht zu rühren, er verlängerte die Frist um eine Woche.
Da ich in einem Wiener Bezirk aufwuchs, der durch seine Heurigen bekannt ist, war es unter uns Schülern üblich, abends auch mal eine Streiftour durch die Heurigen zu machen, immer in der Hoffnung, von einer erotisch interessierten Dame aufgelesen und verführt zu werden.
Eines Nachts nach einer Heurigentour, bei der ich vielleicht ein Viertel Wein getrunken hatte, wachte ich umvier Uhr früh aufgrund eines Traumes auf. Ich hatte im Traum die Lösung gefunden und mich selbst aus dem Traum katapultiert, damit ich sie aufschreiben könne. Mit geschlossenen Augen wiederholte ich im Bewussten den Lösungsweg. Danach wagte ich die Augen aufzuschlagen, machte das Licht an und schrieb ein Wort auf: Sekantensatz.
Die Lösung war richtig, die Kugel konnte unter der Zuhilfenahme des Sekantensatzes konstruiert werden. Was mich damals aber am meisten begeisterte, war der Umstand, dass der Sekantensatz in der zweiten oder dritten Klasse gelehrt worden war und ich ihn seither nicht gebraucht hatte. Für mich schien das der Beweis, dass nichts, was man gelernt hätte je in Vergessenheit geraten würde, egal wie tief es verschüttet läge.
Ich versuche mir das in Erinnerung zu bringen, wenn ich auf totales Unvermögen bei anderen Leuten stosse, mich verstehen zu können. Ich bilde mir ein, alles erklären zu können, was ich selbst verstehe. Doch beschränke ich mich dabei auf ein bestimmtes Niveau der Einfachheit, welches es erlaubt, die komplizierten Dinge als gegeben anzunehmen. Alles was schwierig ist, wird mit dem Hinweis auf den im Detail liegenden Teufel aus dem Erklärungsbereich geschoben.
Versuche ich hingegen etwas aus dem Detailbereich zu erklären, so setze ich voraus, dass die Grundlagen beim Zuhörer bekannt sein müssen. Man kann nicht jemand die Erddrehung erklären, wenn er die Erde für eine Scheibe hält. Daher bin ich zunehmend verärgert, wenn jemand von mir verlangt, ich solle einen komplexen Zusammenhang so einfach erklären, dass er ihn auch dann verstehen kann, er selbst selbst aber nicht bereit ist, irgendetwas zu seinem besseren Verständnis beizusteuern.
Nach einer solchen Präambel pflegt beim Zuhörer die Frage zu kommen: worauf will er denn jetzt hinaus. Alles gut und schön, aber was bringt mir das bei meinem Problem?
Das Problem habe ich ja bisher ganz außer Acht gelassen. Die einen nennen es Pisa-Studie. Die anderen beklagen den Umstand, dass in Österreich manche Hauptschulkinder bei Eintritt noch nicht ihren Namen und Adresse richtig schreiben können. Da geht es um Einheimische, nicht um Ausländerkinder. Eine andere Formulierung könnte so lauten, dass ein Ehepaar, beide verdienend, mit einem Kind bereits überfordert sind. Folgerung: das Kind wird vom Elternhaus in die Schule abgeschoben, Beispielwirkung zuhause fehlt. Weitere Folgerung: einige Kinder schaffen es nicht, aus der Volksschule den entsprechenden Lerninhalt herauszunehmen. In der Studie wird dann eine entsprechende Statistik über bildendes Unvermögen bescheinigt.
Es erscheint etwas unlogisch, wenn in unseren Breitengraden verkündet wird, dass nur intelligente Arbeit sich gegen die der Billiglohnländer werde durchsetzen können. Das Postulat von der Notwendigkeit der besten Ausbildung für gute Jobs steht im Widerspruch zu der immer augenscheinlichen Fähigkeit, Bildungsinhalte auch wirklich aufnehmen zu können. Heute ist es müßig, über die Notwendigkeit eines Lateinunterrichtes zu diskutieren. Wir sind bereits bei Deutsch angelangt. Muss sich ein Spezialist der Informatik noch auf Deutsch ausdrücken können? Muss er beschreiben können, was er macht? Ist es unanständig zu fragen, wodurch technische Entscheidungen beeinflusst werden?
Ich ziehe das Beispiel der Informatik sehr gerne heran, denn die hier unterstellte Technologie ist eine „Grosstechnologie“. Grosstechnologien gelten als gefährlich, Beispiel Gentechnologie, Atomnutzung. Mit einer vernünftigen Informatik läßt sich vermutlich größerer Nutzen schaffen, als es sich die Protagonisten oder auch die durchführenden handelnden Personen vorstellen können. Genausowenig können sich die meisten derselben aber auch vorstellen, wie viel Schaden sie mit Ignoranz und mangender Kommunikationsmöglichkeit anstellen können.
Eine falsch genützte Informatik kann die Auswirkungen des Kapitalismus bis zu seiner Selbstzerstörung verändern. Die Kenntnis von der Verwendung von Tabellenkalkulationen ersetzt nicht das notwendige Gefühl, welches man den Bedeutungen von Zahlen anberaumen sollte.
steppenhund - 4. Okt, 19:07
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Gregor Keuschnig - 5. Okt, 08:19
Spätestens für die nächste Generation der Literaturkritiker ist dieses Tool unersetzlich. Sie brauchen dann noch weniger gelesen zu haben, um mit ihren Pseudoparallelen zu "brillieren".