aus 2041 / 7
Ein Puzzlestück, das direkt zu seinem Vorgänger passt:)
Pete untersuchte noch einmal die Umgebung, in der sich 290140 befunden hatte. Er untersuchte Speicherbereiche, in denen das Programm normalerweise geladen war. Er fand nichts, nicht einmal Löschspuren. Es gab keine Bereiche, die mit Löschmustern gefüllt waren, auch nicht auf den Festplatten, in den Backup-Medien oder im gigantischen Halbleiterspeicher. Natürlich hatte die Größe des Programms dazu geführt, dass der Code und die Daten auf mehrere Rechner verteilt waren. Pete erinnerte sich, wie schwierig es gewesen war, alle Orte auszumachen, auf die das Programm Zugriff hatte. Eines der Systeme war eine ursprüngliche Watson-Anordnung gewesen, die zwar als veraltet galt, aber doch immerhin zweihundert Terabyte an Internet-Inhalten über alle Wissensgebiete enthielt.
Aus reiner Neugier, die nichts mit seiner "kriminalistischen" Untersuchung zu tun hatte, wollte Pete wissen, ob 290140 auf die Watson-Inhalte zugegriffen hatte. Er war überrascht, als er nicht nur fündig wurde, sondern feststellen musste, dass der Inhalt einer der Hauptquellen für das Programm in den letzten drei Monaten gewesen war. Als Pete nähere Untersuchungen anstellte, fand er ein besonders Interesse von 290140 in der Literatur von Karl May, einem Schriftsteller, der über die Indianer in den Vereinigten Staaten geschrieben hatte, ohne jemals dort gewesen zu sein.
Die Datenzugriffe häuften sich nicht nur bei Karl May. Geschichtliche und ökonomische Inhalte schienen 290140 besonders interessiert zu haben. Die Zugriffe ware hier weitaus häufiger, als man sie hätte erwarten sollen. Das Programm sollte sich mit Vernetzung und selbstreparierenden Codes beschäftigt haben, wenn es nicht durch Dekodierungsaufgaben ausgelastet war. Es schien so, als hätte das Programm auf der Suche nach Information zu lernen versucht.
Drei Zugriffe, jetzt wo Pete gezielt suchen konnte, waren sie leicht zu finden, schienen aus der Menge hervorzustechen. Kant, Goedel und Chaitin waren ein beliebter Lesestoff gewesen.
Es war mittlerweile Mitternacht geworden. Pete hatte die Hoffnung verloren, das Programm zu finden oder sein Verschwinden begründen zu können. Da an Schlafen nicht zu denken war, solange noch etwas zu entdecken war, beschloss er, einmal eine kurze Pause außerhalb seines Zimmers einzulegen.
In der Kantine der UNA, natürlich durfte er das Gelände nicht verlassen, war normaler Betrieb. Die Mitarbeiter der UNA arbeiteten in Schichten rund um die Uhr, weil wichtige Ereignisse auf der Welt möglichst zeitnah bearbeitet werden sollten. Pete fand Natalia in der Kantine, mit der ihn eine Freundschaft verband, die auch hier nicht in einer erotischen Beziehung geendet hatte.
Natalia war nicht nur intelligent, wie es alle Unaten waren, sie war auch sehr unkonventionell in manchen ihrer Gedanken. Pete wusste nicht, wie weit das Verschwinden von 290140 bekannt war, sollte es eigentlich nicht. Er formulierte seine Frage in folgender Weise:
"Wenn Du hörst, dass sich jemand für Kant, Goedel, Chaitin und Karl May interessiert, wie würdest Du dann den Menschen beschreiben?" - Natalia überlegte eine Zeitlang, dann stellte sie die Gegenfrage: "Interessiert er sich auch für Kripke-Modelle?" Diese Frage stellte Pete vor ein Problem. Durfte er die Frage bejahen oder gab er zuviel über den Hintergrund seines Interesses her. Natürlich waren Kripke-Modelle eine Basis für die Hauptanwendung von 290140. Diese und die abgeleiteten Busoni-Ableitungen waren unabdingbare Werkzeuge bei der Entschlüsselung von nicht formalen Texten.
"Ja" Pete hatte sich entschlossen, jede mögliche Hilfe anzunehmen.
"Oh!" war die einzige Antwort die Pete von Natalia erhielt. "Was meinst Du mit 'oh'?"
"Oh heißt 'we are in trouble'?" - "Was meinst du mit 'WE are in trouble'? Ich gebe zu, dass ich Schwierigkeiten habe, aber wieso du?" Natalia lächelte gequält: "Mit WE meinte ich nicht uns beide, ich meinte uns alle. Etwas ist geschehen, was uns sehr stark betreffen wird. Du sagst mir besser, wer die Person ist. Hast du sie durch deine Überwachung entdeckt?"
"Nein, keine äußere Quelle. Hier bei uns selbst gab es die Datenzugriffe ohne fremde Beeinflussung."- Natalia blickte ernst. Ich würde dir empfehlen, das sofort zu melden und danach dich tot zu stellen. Pete gab sich einen Ruck: "Das kann ich nicht. Es ist kein Mensch. Es ist 'mein' Programm, mein Job. Du weißt doch, dass ich mich in meinem Bereich mit künstlicher Intelligenz beschäftige." - "Tun wir das nicht alle hier?" kam es von Natalia. Aber wenn es dein Programm ist, wäre das doch ein großartiger Erfolg, oder?" - "Vielleicht wäre es das, wenn ich früher drauf gekommen wäre. So wie es jetzt aussieht, habe ich aber nichts davon. Denn mein Programm ist verschwunden." Pete setzte hastig nach. "Aber das weißt du jetzt nicht und auch nicht von mir."
"Ja, ja. Ich kann mir schon vorstellen, dass das nicht die Runde machen soll." Aber es ist eine sehr ernste Sache. Und jetzt verstehe ich auch Karl May. Pete schaute sehr verwundert aus der Wäsche. "Aha, was verstehst du?"
Natalia blickte überlegen doch gleichzeitig besorgt auf Pete.
"Wenn Du sagst, dein Programm ist verschwunden, so ist das nur die halbe Wahrheit. Dein Programm ist nicht nur verschwunden sondern es hat sich eigenmächtig aus dem Staub gemacht. Und das ist etwas ganz anderes, als du oder auch wir bisher annehmen konnten."
"Ja aber das ist doch unmöglich. Derartig große Datenbewegungen wären registriert worden, wenn sie aus unserem Netz verschwunden wären."
Natalia überlegte: "Sag, wie groß war dein Programm zu letzt?" - "Na, ich denke, dass der Rechenkern ungefähr 500 Gigabyte groß war. Das Speicherabbild war viel größer, wenn man die unmittelbaren Datenbanken dazu rechnet."
"Glaubst du, dass das Programm wirklich so groß sein musste?" - "Nun, wenn ich den üblichen unnötigen Overhead abziehe, komme ich vielleicht auf 50 Gigabyte."
Natalia fragte weiter: "Das war die derzeitige Größe, mit welchem Programm hast du denn angefangen?" - Pete dachte nach: "Ich habe zuerst nur mit Prädikaten gearbeitet, das waren ungefähr 100 Kilobyte, den Rest haben die Inferenzmaschinen gemacht. Die haben dann den Code generiert und vermutlich auch etwas aufgeblasen."
Natalia hakte nach: "Wer außer uns hat ähnliche Inferenzmaschinen?" Pete war verblüfft: "Na jeder kann sie haben. Jeder, der mit Lisp, Prolog oder ähnlichen Sprachen arbeitet, kann sich seine Maschinen aufblasen. Machen sie ja auch. Das ist Forschungsgegenstand an Hunderten von Unis."
Natalia dozierte: "Wenn das so ist, reichen deine ursprünglichen 100 Kilobyte, um sie außer 'Landes' sprich UNA zu bringen. Und dann muss noch ein kleiner Kernel nach draußen. Der kann sich auf Trojanerbasis nach außen geschmuggelt haben. Damit kann sich das Programm irgendwo auf der Welt wieder selbst generieren.
Gefährlich ist nur die Tatsache, dass es sich hier selbst gelöscht hat. Und da verstehe ich jetzt Karl May. Es geht um das 'Spuren verwischen', um den Gegner in die Irre zu führen. Dass das Programm das konnte, zeigt, wie intelligent es inzwischen geworden ist. Durch das Studium von Goedel und Chaitin weiß es, wo es angreifbar ist. Daher muss es damit rechnen, dass es abgeschaltet wird, sobald seine Intelligenz erkannt wird. Gab es da noch irgendwelche verborgene Zielsetzungen?"
Pete war zerstört. Wenn Natalia das schließen konnte, so würden es seine Vorgesetzten und isbesonders der 'Vorstand' auch können. Er beschloss aufzugeben: "Ja, ich habe das Programm mit einem Zusatzprogramm versehen. Es sollte eine Lösung finden, wie es sich selbst unzerstörbar machen könne."
Er ergänzte kläglich: "Vielleicht hat es sich ja auch einfach bei einem Test selbst zerstört."
Natalia erwiderte: "Also ich glaube das ja nicht. Aber deine Verteidigung könnte so aussehen. Vielleicht kommst du mit einem blauen Auge davon. Aber WIR, ich betone das WIR, werden es nicht so leicht haben. Du wirst sehen. Denn ich glaube, dass das Programm nach wie vor existiert und läuft. Und wenn das so ist, muss man davon ausgehen, dass das Programm 'lebt'. Gratuliere Papa."
Pete untersuchte noch einmal die Umgebung, in der sich 290140 befunden hatte. Er untersuchte Speicherbereiche, in denen das Programm normalerweise geladen war. Er fand nichts, nicht einmal Löschspuren. Es gab keine Bereiche, die mit Löschmustern gefüllt waren, auch nicht auf den Festplatten, in den Backup-Medien oder im gigantischen Halbleiterspeicher. Natürlich hatte die Größe des Programms dazu geführt, dass der Code und die Daten auf mehrere Rechner verteilt waren. Pete erinnerte sich, wie schwierig es gewesen war, alle Orte auszumachen, auf die das Programm Zugriff hatte. Eines der Systeme war eine ursprüngliche Watson-Anordnung gewesen, die zwar als veraltet galt, aber doch immerhin zweihundert Terabyte an Internet-Inhalten über alle Wissensgebiete enthielt.
Aus reiner Neugier, die nichts mit seiner "kriminalistischen" Untersuchung zu tun hatte, wollte Pete wissen, ob 290140 auf die Watson-Inhalte zugegriffen hatte. Er war überrascht, als er nicht nur fündig wurde, sondern feststellen musste, dass der Inhalt einer der Hauptquellen für das Programm in den letzten drei Monaten gewesen war. Als Pete nähere Untersuchungen anstellte, fand er ein besonders Interesse von 290140 in der Literatur von Karl May, einem Schriftsteller, der über die Indianer in den Vereinigten Staaten geschrieben hatte, ohne jemals dort gewesen zu sein.
Die Datenzugriffe häuften sich nicht nur bei Karl May. Geschichtliche und ökonomische Inhalte schienen 290140 besonders interessiert zu haben. Die Zugriffe ware hier weitaus häufiger, als man sie hätte erwarten sollen. Das Programm sollte sich mit Vernetzung und selbstreparierenden Codes beschäftigt haben, wenn es nicht durch Dekodierungsaufgaben ausgelastet war. Es schien so, als hätte das Programm auf der Suche nach Information zu lernen versucht.
Drei Zugriffe, jetzt wo Pete gezielt suchen konnte, waren sie leicht zu finden, schienen aus der Menge hervorzustechen. Kant, Goedel und Chaitin waren ein beliebter Lesestoff gewesen.
Es war mittlerweile Mitternacht geworden. Pete hatte die Hoffnung verloren, das Programm zu finden oder sein Verschwinden begründen zu können. Da an Schlafen nicht zu denken war, solange noch etwas zu entdecken war, beschloss er, einmal eine kurze Pause außerhalb seines Zimmers einzulegen.
In der Kantine der UNA, natürlich durfte er das Gelände nicht verlassen, war normaler Betrieb. Die Mitarbeiter der UNA arbeiteten in Schichten rund um die Uhr, weil wichtige Ereignisse auf der Welt möglichst zeitnah bearbeitet werden sollten. Pete fand Natalia in der Kantine, mit der ihn eine Freundschaft verband, die auch hier nicht in einer erotischen Beziehung geendet hatte.
Natalia war nicht nur intelligent, wie es alle Unaten waren, sie war auch sehr unkonventionell in manchen ihrer Gedanken. Pete wusste nicht, wie weit das Verschwinden von 290140 bekannt war, sollte es eigentlich nicht. Er formulierte seine Frage in folgender Weise:
"Wenn Du hörst, dass sich jemand für Kant, Goedel, Chaitin und Karl May interessiert, wie würdest Du dann den Menschen beschreiben?" - Natalia überlegte eine Zeitlang, dann stellte sie die Gegenfrage: "Interessiert er sich auch für Kripke-Modelle?" Diese Frage stellte Pete vor ein Problem. Durfte er die Frage bejahen oder gab er zuviel über den Hintergrund seines Interesses her. Natürlich waren Kripke-Modelle eine Basis für die Hauptanwendung von 290140. Diese und die abgeleiteten Busoni-Ableitungen waren unabdingbare Werkzeuge bei der Entschlüsselung von nicht formalen Texten.
"Ja" Pete hatte sich entschlossen, jede mögliche Hilfe anzunehmen.
"Oh!" war die einzige Antwort die Pete von Natalia erhielt. "Was meinst Du mit 'oh'?"
"Oh heißt 'we are in trouble'?" - "Was meinst du mit 'WE are in trouble'? Ich gebe zu, dass ich Schwierigkeiten habe, aber wieso du?" Natalia lächelte gequält: "Mit WE meinte ich nicht uns beide, ich meinte uns alle. Etwas ist geschehen, was uns sehr stark betreffen wird. Du sagst mir besser, wer die Person ist. Hast du sie durch deine Überwachung entdeckt?"
"Nein, keine äußere Quelle. Hier bei uns selbst gab es die Datenzugriffe ohne fremde Beeinflussung."- Natalia blickte ernst. Ich würde dir empfehlen, das sofort zu melden und danach dich tot zu stellen. Pete gab sich einen Ruck: "Das kann ich nicht. Es ist kein Mensch. Es ist 'mein' Programm, mein Job. Du weißt doch, dass ich mich in meinem Bereich mit künstlicher Intelligenz beschäftige." - "Tun wir das nicht alle hier?" kam es von Natalia. Aber wenn es dein Programm ist, wäre das doch ein großartiger Erfolg, oder?" - "Vielleicht wäre es das, wenn ich früher drauf gekommen wäre. So wie es jetzt aussieht, habe ich aber nichts davon. Denn mein Programm ist verschwunden." Pete setzte hastig nach. "Aber das weißt du jetzt nicht und auch nicht von mir."
"Ja, ja. Ich kann mir schon vorstellen, dass das nicht die Runde machen soll." Aber es ist eine sehr ernste Sache. Und jetzt verstehe ich auch Karl May. Pete schaute sehr verwundert aus der Wäsche. "Aha, was verstehst du?"
Natalia blickte überlegen doch gleichzeitig besorgt auf Pete.
"Wenn Du sagst, dein Programm ist verschwunden, so ist das nur die halbe Wahrheit. Dein Programm ist nicht nur verschwunden sondern es hat sich eigenmächtig aus dem Staub gemacht. Und das ist etwas ganz anderes, als du oder auch wir bisher annehmen konnten."
"Ja aber das ist doch unmöglich. Derartig große Datenbewegungen wären registriert worden, wenn sie aus unserem Netz verschwunden wären."
Natalia überlegte: "Sag, wie groß war dein Programm zu letzt?" - "Na, ich denke, dass der Rechenkern ungefähr 500 Gigabyte groß war. Das Speicherabbild war viel größer, wenn man die unmittelbaren Datenbanken dazu rechnet."
"Glaubst du, dass das Programm wirklich so groß sein musste?" - "Nun, wenn ich den üblichen unnötigen Overhead abziehe, komme ich vielleicht auf 50 Gigabyte."
Natalia fragte weiter: "Das war die derzeitige Größe, mit welchem Programm hast du denn angefangen?" - Pete dachte nach: "Ich habe zuerst nur mit Prädikaten gearbeitet, das waren ungefähr 100 Kilobyte, den Rest haben die Inferenzmaschinen gemacht. Die haben dann den Code generiert und vermutlich auch etwas aufgeblasen."
Natalia hakte nach: "Wer außer uns hat ähnliche Inferenzmaschinen?" Pete war verblüfft: "Na jeder kann sie haben. Jeder, der mit Lisp, Prolog oder ähnlichen Sprachen arbeitet, kann sich seine Maschinen aufblasen. Machen sie ja auch. Das ist Forschungsgegenstand an Hunderten von Unis."
Natalia dozierte: "Wenn das so ist, reichen deine ursprünglichen 100 Kilobyte, um sie außer 'Landes' sprich UNA zu bringen. Und dann muss noch ein kleiner Kernel nach draußen. Der kann sich auf Trojanerbasis nach außen geschmuggelt haben. Damit kann sich das Programm irgendwo auf der Welt wieder selbst generieren.
Gefährlich ist nur die Tatsache, dass es sich hier selbst gelöscht hat. Und da verstehe ich jetzt Karl May. Es geht um das 'Spuren verwischen', um den Gegner in die Irre zu führen. Dass das Programm das konnte, zeigt, wie intelligent es inzwischen geworden ist. Durch das Studium von Goedel und Chaitin weiß es, wo es angreifbar ist. Daher muss es damit rechnen, dass es abgeschaltet wird, sobald seine Intelligenz erkannt wird. Gab es da noch irgendwelche verborgene Zielsetzungen?"
Pete war zerstört. Wenn Natalia das schließen konnte, so würden es seine Vorgesetzten und isbesonders der 'Vorstand' auch können. Er beschloss aufzugeben: "Ja, ich habe das Programm mit einem Zusatzprogramm versehen. Es sollte eine Lösung finden, wie es sich selbst unzerstörbar machen könne."
Er ergänzte kläglich: "Vielleicht hat es sich ja auch einfach bei einem Test selbst zerstört."
Natalia erwiderte: "Also ich glaube das ja nicht. Aber deine Verteidigung könnte so aussehen. Vielleicht kommst du mit einem blauen Auge davon. Aber WIR, ich betone das WIR, werden es nicht so leicht haben. Du wirst sehen. Denn ich glaube, dass das Programm nach wie vor existiert und läuft. Und wenn das so ist, muss man davon ausgehen, dass das Programm 'lebt'. Gratuliere Papa."
steppenhund - 17. Apr, 11:48
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(sauspannend)