15
Mai
2014

aus 2041/17

Für meine drei urgierenden Leserinnen und Leser

"Sie müssen sich Folgendes vorstellen:
Unsere Infrastruktur funktioniert hervorragend. Darüber kann kein Zweifel bestehen. Viele untergeordnete Tätigkeiten werden von Maschinen durchgeführt, die anscheinend kaum Wartung benötigen. Wie viel Einwohner hat die Erde zur Zeit?" Hartmut meinte: "Heute weiß ich es gar nicht. Als ich noch arbeitete, gab es eine Zahl von neun Milliarden."
"Ja, es sind auch heute noch neun Milliarden, so ungefähr. Und diese Zahl scheint nicht zuzunehmen, obwohl wir keine Kriege mehr kennen. Können Sie sich vorstellen, wie man neun Milliarden Menschen zufriedenstellen kann, ohne dass Sie irgendwo Revolutionen oder unzufriedene Menschen haben? Es ist eigentlich unmöglich, dieses als wirklich anzunehmen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: entweder werden die Informationen, die zu uns gelangen, gefiltert oder es gibt ein überdimensionales Kontrollsystem, welches alle Konflikte bereits im Ansatz regelt. Was wissen Sie über Geschichte?"
Hartmut dachte nach: "Eigentlich nichts. Das ist ja der Grund, warum ich nach Quellen suche."
"Sehen Sie, das ist der springende Punkt. Es gibt keine Quellen mehr. Mit ganz wenigen Ausnahmen. Früher haben die Kinder noch Geschichte gelernt. Sie haben über Kriege erfahren und über die grenzenlose Unbelehrbarkeit der Menschen, welche dieselben Fehler in allen Zeiten wiederholt haben. Die Gründe waren meistens die gleichen. Jemand wollte Macht. Warum er das wollte, war durch wenige Auslöserfaktoren begründet. Manchmal war es nur ein kleiner physischer Defekt, den der Betreffende kompensieren wollte. Manchmal war es einfach der Wunsch nach Besitz, nach Geld, mit dem man sich Sex kaufen konnte. Dazu kam noch der Wunsch nach Unangreifbarkeit. Das alles haben die Kinder gelernt. Heute wissen es nicht einmal die Erwachsenen. Sie erfahren nichts und sie können es auch nirgendwo nachlesen. Können Sie mir folgen?"
Hartmut nickte: "Aber woher wissen Sie denn das alles?"
"Wir sind die 'Bösen'. Wir lehnen uns gegen das System auf. So wie wir es immer getan haben, als Anarchisten, als Rebellen. Doch mittlerweile hat sich unser Beweggrund geändert. Wir rebellieren nicht mehr gegen das System. Das wäre absolut zwecklos. Es ist stärker. Wir haben viele Freunde verloren, wobei wir am Anfang gar nicht wussten, wie sie enttarnt wurden. Es gab auch keine Verfolgung. Die Freunde verschwanden einfach."
Hartmut schüttelte bedauernd den Kopf: "Und was ist Ihr Beweggrund heute?"
"Dazu später. Ich frage Sie, warum sind die Menschen heute zufrieden? Warum heute, warum nicht früher?"
Hartmut hatte keine Antwort.
"Sie kennen nur ihr derzeitiges Leben. Sie haben keinen Hunger, sie haben Spiele, es wird ihnen nicht langweilig - außer Ihnen, wie es scheint - und daher gibt es keinen Grund, irgendetwas zu hinterfragen. Und es gibt keinerlei Reize von außen, die einen Denkvorgang in Gang setzen könnten."
- "Aber es gibt doch Menschen, die arbeiten und die denken müssen. Ich habe schließlich auch gearbeitet."
"Ja, Sie haben gearbeitet. Es braucht ein paar intelligente Menschen, die gescheit genug zum Arbeiten sind, aber sonst nichts hinterfragen. Mit ihren statistischen Daten hätten Sie sich einige Fragen stellen müssen. Doch durch die Medien werden Sie kontinuierlich davon abgehalten."
Hartmut musste das zugeben, er tat es aber nur im Stillen und sagte nichts.
"Wollen Sie 1984 wirklich lesen? Sie würden nicht die Information erhalten, die sie suchen. Das Buch schildert nicht die Vergangenheit. Es schildert eine Zukunft, die damals als negativ empfunden wurde. Das herrschende Regime bestimmte über die Geschichtsschreibung. Alles was nicht zu seiner Unterstützung passte, wurde gelöscht oder umgeschrieben. Und die Sprache wurde auf einfache Konstrukte reduziert. Mehr werden Sie in dem Buch nicht finden. Aber das reicht schon. Denn die Geschichte mit der Geschichtsumschreibung hat stattgefunden. Mit dem Ergebnis, dass es überhaupt keine Geschichtsschreibung mehr gibt."
Hartmut fühlte, wie ihm der Boden unter den Sesselbeinen entschwand. Er hatte Angst zu fallen.
"Es gibt ein zweites Buch dieser Art, 'Schöne Neue Welt'. Aus diesem Buch kann man entnehmen, dass die Leute mit Drogen ruhig gestellt wurden. Auch dieses Detail gibt es in unserer realen Welt. Und in einem dritten Buch 'Fahrenheit 451' werden Bücher als Quelle allen Unheils gesehen und verbrannt. Der Unterschied zu heute ist, dass dieses Verbrennen nicht mehr öffentlich stattfindet. Die Bücher werden entsorgt, nachdem sie in Computer eingescannt wurden. Niemand befürchtete, dass der Inhalt der Bücher verloren gehen würde. Doch die eingescannten Bücher waren später nicht mehr zugreifbar."

Hartmut fragte: "Aber Sie sind doch jung, woher können Sie dann wissen, was war?"
Veronika erwiderte: "Sagt Ihnen der Name Goethe noch etwas." Hartmut erinnerte sich ganz dumpf, dass er den Namen schon einmal in seiner Kindheit gehört hatte. Sonst hatte er keine Assoziationen.
"'Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.' So beschreibt sich der Teufel selbst im Hauptwerk von Goethe. Wir waren einmal die Bösen. Wir mussten uns verstecken und tarnen. Das bedeutete, dass wir auch von allgemeinen Netzwerken isoliert waren. Nachdem wir selbst Viren erzeugten - das war vor 60 Jahren - wussten wir von der Gefahr einer Gegeninfiltration. Unsere Hauptcomputer waren nie an öffentlichen Netzen. Es gab Pannen. Einmal um 2045 hatte einer unserer Kollegen unvorsichtigerweise beim Auskundschaften eines Infoautomaten eine Sicherheitsvorkehrung außer acht gelassen. Er selbst und dreißig seiner Mitarbeiter, die in seinem Rechner mit Adressen existierten, verschwanden innerhalb von einem Monat. Seither wussten wir, wie gefährlich eine Interaktion mit dem System sein konnte."
Der Mann von vorhin kam in die Küche. Ganz ruhig meinte er: "Wir haben 28 Minuten Zeit, die Zelte zu räumen. Unsere Adresse ist aufgeflogen. Vermutlich wegen der heutigen Aktion. Ihr werdet den kürzesten Weg zu K1 nehmen. Wir anderen müssen noch zusammen packen."
Veronika packte Hartmut am Arm: "Kommen Sie, wir müssen schleunigst verschwinden." Sie zog eine weitere Perücke an, diesmal rötlich und eine Brille, wie sie gerade in den Innenstädten modern war.
"Wir müssen Sie auch noch verkleiden." Hartmut bekam einen Mantel und einen Bart angeklebt, der im Vergleich zu seinem eigenen wesentlich länger war, vor allem aber schwarz und nicht grau. Ein Hut verdeckte die Konturen seines Haaransatzes.
"Wir haben einen Vorteil und eine Chance. Das System setzt nie besonders effiziente Verfahren ein, wenn es um Alarmfälle geht. Wir sind jetzt ein Alarmfall. Wahrscheinlich kommen nur ein oder zwei Personen, mit Hochleistungskameras bewaffnet, welche die Identität der hier befindlichen Menschen erfassen wollen. Die eigentliche Exekution erfolgt später. Unser Hauptinteresse besteht also darin, unerkannt zu bleiben. Unsere Tarnung ist nicht besonders leistungsfähig, vor allem weil die Körpermaße und Bewegungsabläufe vermessen werden. Wir können hoffen, dass es für Sie noch keine Vergleichsmaße gibt. Ich gebe Ihnen einen Straßenplan. Die neue Adresse ist leicht zu finden. Sie müssen in spätestens 15 Minuten dort sein. Treffen Sie später ein, müssen wir davon ausgehen, dass Sie vom System als Spion eingesetzt werden. Alles klar?"
"Nein, was mache ich, wenn ich an der Adresse angelangt bin?" - "Das ist eine alte Schule. Das Haupttor ist offen. Anschließend gehen Sie in den Keller, nicht zu verfehlen. Wir sammeln Sie dann schon auf."
Hartmut fühlte sich plötzlich sehr unsicher. "Ich soll wirklich allein gehen?" - "Das ist die einzige Möglichkeit: Paare sind verdächtig, es sei denn sie fahren auf dem Rad. Aber Rad fahren werden Sie ja nicht wollen." Hartmut verneinte: "Und wie komme ich jetzt hier raus?" - "Kommen Sie. Sie gehen hier hoch und wenn Sie oben sind gehen Sie durch das Haus durch und beim Eingangstor können Sie das Gelände ohne Probleme verlassen." Sie zeigte auf eine langgezogene Treppe. Diese war ursprünglich einmal eine Materialrutsche gewesen, auf der Sauerkraut in eine im Keller befindliche Produktion angeliefert wurde.
Hartmut stiefelte hoch. Es war beschwerlich, die Treppe war doch ziemlich lang. Als er oben ankam, befand er sich in einem Innenhof. Er erkannte das Haupthaus an seiner grünen Farbe und betrat es durch die Hoftür. Als er auf die Barawitzkagasse trat, erinnerte er sich an den Stadtplan. Er wandte sich nach links und an der Kreuzung mit der Döblinger Hauptstrasse wieder nach links. An der Pyrkergasse musste er rechts einbiegen, die zweite linke Abzweigung war bereits die Kreindlgasse. Die Schule war deutlich sichtbar. Er hatte 12 Minuten gebraucht. Alles lief so wie vorherbesprochen. Als er auf der Kellerebene war, öffnete sich eine Tür und zog ihn in den Raum. "Das haben Sie ja brav geschafft. Passen Sie auf. Mit der weiteren Erklärung müssen wir ein bisschen warten. Wir müssen jetzt an ihrem Alibi basteln. Wir machen das so. Wir bringen Sie nach Heiligenstadt. Das wird ein bisschen aufwendig sein. Auf der U-Bahnstation setzen wir Sie auf eine Bank und Sie dürfen ein bisschen schlafen. Nur ein paar Minuten. Es ist eine bestimmte Bank, denn die Kamera mit der diese Bank überwacht wird, können wir beeinflussen. Es wird so aussehen, als hätten Sie zwei Stunden geschlafen. Dann fahren Sie mit der U-Bahn zurück zum Karlsplatz und gehen ins Hotel. Ich werde morgen wieder mit Ihnen Kontakt aufnehmen."
"Werden Sie nicht mit mir nach Heiligenstadt gehen?" - "Wo denken Sie hin. Das wäre viel zu auffällig? Nein, Sie werden sich ein bisschen klein machen müssen und sich in einer Maschine verstecken. Die Verkleidung können Sie wieder ablegen. Ab jetzt sind Sie wieder sie selbst. Kommen Sie!"
Sie führte ihn zu einem Hinterausgang der Schule. Dort stand eine große, gelbe Reinigungsmaschine, wie sie zum Säubern der Stadt benutzt wurden. Es gab einen Abfallbehälter, der ausreichte, einen zusammengeknautschten Hartmut aufzunehmen. "Die Route ist programmiert. Die Reinigungsleistung ist auf minimum gestellt. Ein bisschen Dreck wird zu Ihnen kommen, aber nicht viel. Wenn es drei mal summt, können Sie den Behälter aufdrücken und aussteigen. Sie werden bei einer Fluchtstiege ankommen, die sie hinaufgehen können. Dann setzen Sie sich auf die zweite Wartebank und machen einen schlafenden Eindruck. Mit der nächsten oder besser der übernächsten U-Bahn fahren Sie dann zurück. Geben Sie vor, versehentlich eingeschlafen zu sein. Falls Sie von einem Bekannten gefragt werden, was Sie gemacht haben, vermeiden Sie jeden Hinweis auf Spaziergang oder B1. Natürlich auch nicht K1.
Tja, Sie sind jetzt mitgehangen, mitgefangen. Ich hoffe, Sie lieben Abenteuer. Ihr Leben wird fortan etwas 'interessanter' sein." Sie sprach das 'interessanter' mit einem leicht spöttischen Unterton.
Hartmut kletterte hinein. Die Maschine machte sich auf den Weg. Es dauerte fast eine Stunde, bis sie stehen blieb und drei Summtöne hörbar wurden. Hartmut, der bisher noch nicht gewusst hatte, was Klaustrophobie war, war heilfroh, endlich seinem Verschlag entkommen zu können. Er wartete am unteren Ende der Treppe, weil er noch sehen wollte, wie die Maschine weiterfuhr. Danach stieg er hoch und setzte sich auf die Bank. Er war wirklich etwas müde. Er traute sich kaum, die Augen zuzumachen, weil er befürchtete, dann zu lange zu schlafen. Er war sehr froh, als endlich die zweite U-Bahn kam. Er rieb sich die Augen und hastete zu den Waggons. In der U-Bahn fühlte er sich sicher. Er gehörte wieder zum System.
Das Gefühl der Sicherheit war wärmend. Doch umso abrupter war sein Ende, als er in seinem Hotelzimmer auf dem Bildschirm einen Anruf empfing. Das Bild zeigte Peter. "Schönen Tag gehabt? Was hast Du gesehen?" - "Nicht viel. Vormittags war ich im Museum und nach dem Mittagessen fuhr ich nach Heiligenstadt." - "Aha, Du wolltest wohl die Barawitzkagasse aufsuchen." - "Hätte ich vielleicht gemacht, doch plötzlich war ich so müde, dass ich mich hingesetzt habe. Ich muss wohl zwei Stunden auf der Bank geschlafen haben. Danach war meine Initiative auf null und ich bin zurück ins Hotel gefahren. Das waren ziemlich leere Kilometer." Auf dem Gesicht von Peter zeigte sich fast unmerklich eine leichte Enttäuschung. "Du warst nicht dort?" - "Wo meinst Du?" - "Barawitzkagasse 10" - "Nein, aber wenn Du so fragst, dann weißt Du vielleicht, was ich dort vorgefunden hätte." - "Darf ich dir nicht sagen. Hast Du nicht den Hinweis gelesen, dass es sich um 'klassifizierte Information' handelt?" - "Doch, aber damit konnte und kann ich nichts anfangen." - "Das ist gut so. Du solltest damit überhaupt nichts zu tun haben. Obwohl ... " Peter lächelte etwas säuerlich. "In deinem Beruf hattest Du nur mit klassifizierter Information zu tun." - "Aha, soll sein. Mir bedeutet der Ausdruck trotzdem nichts." - "Nun ist ja gut, viel Spass noch morgen! Guten Abend, ciao."
Hartmuts Puls und Blutdruck waren gestiegen.
Was er heute nachmittag gehört hatte, war schon beunruhigend genut, aber dass Peter so genau Bescheid wusste, setzte eine Überlegungen in Bewegung. Peter, 'sein Freund', war offensichtlich Teil des Systems. Ein System, welches alles fast lückenlos überwachte. Peter wusste über die Barawitzkagasse Bescheid. Hatte er den Alarm ausgelöst. Konnte Peter ein so umfassendes Wissen über seine Person und seine Aktivitäten haben? Er entnahm der Minibar noch eine Flasche Wein und trank sie leer um daraufhin in einen unruhigen Schlaf zu verfallen.
Als er in der Früh aufwachte und sich anzog, entdeckte er einen Zettel in seiner Hosentasche. "Gusshausstrasse 25, 11:00. Verwenden Sie keinen Infoautomaten. Sagen Sie dem Kellner, dass Sie vorhaben, ein bisschen die nähere Umgebung zu erkunden. Vernichten Sie diesen Zettel. Wenn Ihnen der Kellner einen Navigator aufdrängt, nehmen Sie in dankend an aber 'vergessen' Sie ihn in ihrem Zimmer." Er verspürte etwas wie Freude und überraschte Neugier, aber auch ein bisschen Zufriedenheit. Es würde weitergehen.
Beim Frühstück drängte ihm der Kellner den Navigator auf. Hartmut wollte ihn nicht annehmen, doch dann erinnerte er sich an die Anweisung. Er sah den Ausdruck von Erleichterung in den Augen des Kellners, als er den Navigator einsteckte.
Um halb elf machte er sich auf den Weg. Er spazierte an der Karlskirche vorbei, verbrachte dort aber fünf Minuten, um den Eindrück des Touristen zu vermitteln, dann schlenderte er in der Karlsgasse weiter. Kurz bevor er die Gusshausstrasse erreichte, kam ihm ein junges Mädchen in Leggins und einem T-Shirt mit der Aufschrift 'Citizen of Vienna' entgegen. Als er an ihr vorbei ging, packte sie ihn an Arm und drückte ihn gegen die Hauswand. "Einen Moment!" Sie zog einen Schlüssel hervor und öffnete die Eingangstür zu einem ehemaligen Gasthaus. "So da hinein!" Sie verschloss die Tür von innen und drängte ihn, zum hinteren Gastraum weiter zu gehen. Als er sich niedersetzte und sie genauer ansah, konnte er seinen Augen nicht trauen. Das war Veronika, sichtlich mindestens 12 Jahre jünger. Vielleicht die Schwester. Das Mädchen schmunzelte. "Ich bin es schon selber!" Sie lachte ihn aus. "Also verlieren wir keine Zeit. Wir haben hier ungefähr eine Stunde Zeit. Also besser ist es, wenn wir vor 45 Minuten hier abhauen."
Hartmuts Gesicht war das der reinen Verblüffung.
"Okay. Machen wir weiter. Wie gesagt, wir waren die Bösen. Was wir heute sind, ist nicht so leicht zu sagen. Wir planen keine Terrorakte. Wir wollen nicht das System angreifen. Wir wollen uns nur außerhalb des Systems bewegen können. Unüberwacht. Und wir wollen die Geschichte des Menschen bewahren. Um das zu tun, müssen wir uns der allgemeinen Überwachung entziehen. Und das ist verdammt schwierig geworden."
Hartmut nickte.
"Überwachung hat es schon immer gegeben, doch schien es in der Vergangenheit nicht möglich, die Vielzahl der Daten entsprechend auszuwerten. Das hat sich geändert. Irgendjemand verfügt über derart leistungsstarke Computer, dass die Verbindung von scheinbar unzusammen hängenden Daten sichtbar wird."
Veronika dachte etwas nach. "Zwischen den Daten und einer vernünftigen Auswertung gab es immer eine Verzögerung. Diese Verzögerung ist aber so kurz geworden, dass es den Anschein hat, dass die Auswertung sofort existiert. Und es könnte sein, dass Sie uns dabei helfen können, hier etwas Licht in die Sache zu bringen. Es geht um Statistik und Vorhersagen. Es scheint uns nämlich, dass das System bereits im Vorhinein weiß, wo es besondere Überwachungen anbringt."
"Und was könnte ich dabei helfen?"
"Sie könnten eine Antistatistik entwickeln! Sie müssten eine Anordnung entwickeln, welche Daten so in das System einschleust, dass normale statistische Auswertungen nicht mehr zutreffen. Wir wissen, dass es gehen müsste, aber wir kommen nicht an Wissenschaftler heran, die es könnten. Sie sind ein Glückstreffer für uns, wenn Sie sich entscheiden, uns zu helfen."
"Aber das geht doch nicht, ich habe keine Rechner mehr und ich kann nicht dauern in Alt-Wien bleiben."
"Das lassen Sie unsere Sorge sein. Es ist sehr schwierig, eine Kommunikationslinie zu Ihnen und Ihrem Haus aufzubauen. Aber wir werden das schaffen. Halten Sie aber dicht gegenüber Peter und Ihrer Frau, von der wir nicht wissen, wie wir sie einzuschätzen haben. Werden Sie uns helfen?"
Hartmut nickte. Mitgehangen, mitgefangen. Es war seine Neugier gewesen, die in nach Alt-Wien gebracht hatte. Zumindest wusste er jetzt, dass 'etwas nicht stimmte'. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen.
"Wie werde ich es merken, wenn Sie Verbindung mit mir aufnehmen?"
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steppenhund - 15. Mai, 14:39

Achtung: obwohl ich ja die Lösung dem einen oder anderen schon verraten habe, scheint es jetzt so, als wollte ich auf eine falsche Fährte locken. Viel Spass!

Jossele - 15. Mai, 17:56

Also redlich ist das nicht.
Ich tät um ehestmögliche Lösung bitten.
Es ist aber beruhigend, dass es die Kreindlgasse noch gibt, hab ich doch da in die Schule, bzw. den eingegliederten Kindergarten erst zwei Sechsunddreißigerpackungen Klopapier liefern lassen.

steppenhund - 16. Mai, 08:16

Sie wissen aber schon, dass sich der momentane Thread im Jahr 2081 abspielt. In Alt-Wien ist die Schule nicht mehr im Betrieb, nur das Gebäude wird erhalten.
Über die Redlichkeit von Schriftstellern müsste man erst ein eigenes Buch verfassen. Schauen Sie einmal bei Doderer nach, was der alles angestellt hat :)
david ramirer - 16. Mai, 09:04

dass man mit zwei sechsundreissigerpackungen klopapier 67 jahre (noch dazu in einer schule, wo diese art von papyrus ja auch gerne mal für streiche wie lehrertisch einwickeln oder BHs ausstopfen herangezogen wird) auskommt ist selbst bei umfassender ökonomie ein akt von überbordendem optimismus. selbst der in dieser geschichte angedeutete allmachtsapparat könnte DAS nicht stemmen. zumindest nicht im laufe dieses jahrhunderts. vielleicht im 23. jahrhundert dann, mit umfassenden, dann schon umgesetzten genetischen enhancements am mangelhaften menschlichen gerüste (abt. kostenlose ideen für ein sequel).
Jossele - 16. Mai, 09:14

Da möcht ich die Herren doch darauf hinweisen, dass in diversen Kellern doch das eine oder andere Betriebsmittel gelagert und vergessen wird. Grad Kreindlgasse, da sind sie diesbezüglich besonders säumig mit der Lagerhaltung, also ist das Auftauchen einer Klopapierrolle aus meiner Bestellung durchaus nicht ganz unmöglich.

(anderer Schauplatz, die Schule in der Langegasse, da wollte vor zwei Jahren tatsächlichein Bediensteter des Hofimobilienbüros einen Schreibtisch an dem Kaiserin Sisi gesessen hat abholen lassen weil jener in den Aufzeichnungen von 1890 als da existent beschrieben wurde. Ich bin also nicht der einzige Utopist.)
david ramirer - 16. Mai, 09:19

die wahrscheinlichkeit, dass klopapier irgendwo gelagert und 67 jahre lang vergessen wird ist eventuell nur marginal abweichend davon wie dass schokolade über das mindesthaltbarkeitsdatum irgendwo gelagert wird - wage ich als nichtmathematiker hier die unverholene vermutung.
steppenhund - 16. Mai, 11:16

Ich bedanke mich für den Hinweis, dass die Ablage im Keller der Kreindlgasse-Schule säumig gehandhabt wird. Das ist ja ein Grund, warum er auch in der absoluten Überwachungsorgie vergessen wurde. Damit bietet er sich als Geheimquartier förmlich an.
Es ist ja schon heute schwer möglich, unbeobachtet zu leben. In 2081 ist es theoretisch unmöglich. Aber wie man weiß, ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis in der Praxis größer als in der Theorie.
Jossele - 16. Mai, 13:07

@Liebwerter David Ramirer, bei Klopapier, und da muss ich erst einmal nachschauen, ob das auch mit Mindesthaltbarkeitsdatum versehen ist, ist die Wahrscheinlichkeit des Vergessens in Schulgebäuden wie der Kreindlgasse gar nicht so gering.
Gern wird, um sich die Mühe des Nachschauens zu ersparen, einfach neu bestellt und in den Keller verfrachtet, so dass es durchaus vorkommen kann, dass sich Einiges an Material dort ansammelt.
Kein Mensch vermag zu sagen, was da ganz hinten liegt.
(Zu meiner Ehrenrettung muss ich anführen, ich bin nur für das Bestellwesen zuständig, Lagerhaltung im meiner Schule zugehörigen Kindergarten obliegt dem Personal vor Ort)

@Lieber Literat Steppenhund, tät ich mich verstecken wollen, dann genau da, und ich denke, das wird sich auch in den nächsten 67 Jahren kaum ändern. Langegasse zum Beispiel, da haben wir im Keller etwa fünfzig Flaschen selbstgemachten Hollersekt, welche ein Vorvorvorgängerschulwart da eingelagert hat, vor etwa vierzig Jahren (ein Kassenbon, der da auch liegt, vom Konsum, läßt mich diese Zeitspanne annehmen) bringt mich zu der Annahme, in Kellern von Bundesschulgebäuden geht es sehr anonym zu.
Für Agenten und Wiederstandsgruppen genau das Richtige.

Gerhard Roth, "Das Innere von Wien", diesbezüglich sehr empfehlenswerte Lektüre (Gut, über die Kreindlgasse hat der nichts geschrieben, aber das Buch sollte ja auch einen gewissen Umfang nicht sprengen).
david ramirer - 16. Mai, 13:13

@jossele

die bücher von gerhard roth sprengen gerne jeden gewissen & vernünftigen umfang, er ist ein schwafler und auswalzer erster güte!

;)
Jossele - 16. Mai, 13:43

Drum hat er ja gottseidank die Kreindlgasse ausgelassen, und die eignet sich, dank des Versäumnisses von Herrn Vielschreiber Roth, wunderbar, weil inkognito, für Steppenhunds Unterschlupf. Also jetzt nicht für ihn selbst, aber für die unerschrockene Truppe der Wiederständler.
rosmarin - 20. Mai, 00:22

sauspannend..... sag ich mal so (und dachte eh, dass der herr jossele den text mögen würde).... und lese jetzt gleich den nächsten.

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lamamma - 27. Mär, 12:44
Überrascht
Ich bin wirkliich überrascht, dass gerade Du lamentierst....
lamamma - 26. Mär, 15:30
Wobei nähen sich ja viel...
Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
Schwallhalla - 26. Feb, 10:30

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