15
Apr
2014

Aus 2041

"Sag einmal, ist es nicht komisch, dass es keine Religionskriege mehr gibt?" Hartmut stellte die Frage in den Raum, obwohl er keine Antwort von Peter erwartete. Er bekam auch keine. Peter kannte seine eigene Rolle in dem Spiel und er hütete sich, hier irgendeine Information preiszugeben.
Hartmut war sich inzwischen klar geworden, dass in den verschiedenen Religionen die Fundamentalisten an Bedeutung verloren hatten. Sie schienen abhanden gekommen zu sein, was teilweise auch stimmte. Es hatte keiner großen Überzeugung bedurft, die großen Hassprediger und Wahrheitsverkünder von ihrem Fanatismus zu befreien. Sie schienen in den Vierzigerjahren allesamt von großen Schicksalsschlägen getroffen worden zu sein. Und statt wie früher dadurch noch mehr in ihre Borniertheit oder den Wunsch der Massenbeeinflussung getrieben zu werden, hatten sie nunmehr aufgegeben und ihre Machtansprüche abgegeben.
Peter ließ aufhorchen: "Bist Du nicht zufrieden, wie es jetzt läuft? Du musst doch feststellen, dass wir aus der Geschichte gelernt haben. Alles das, was wir früher trotz unserer Geschichtskenntnis noch angestellt haben, vermeiden wir jetzt. Das ist doch gut, oder nicht?" Hartmut konnte dem nichts entgegen setzen. Eigentlich sah er das genauso. Aber die Erkenntnis, die er in der Zwischenzeit durch seine Forschungen gewonnen hatte, sagte ihm, dass sich etwas am menschlichen Wesen verändert hatte. Es schien keine wirklich bösen Menschen mehr zu geben.
Er hatte in alten Büchern recherchiert. Eigentlich konnte er nur auf seine eigenen zurückgreifen, denn die öffentlich erhältlichen Bestände reichten nur bis ins Jahr 2000 zurück. Damals waren allerdings philosophische Veröffentlichungen eher selten. Hartmut war von der Idee der Theodizee fasziniert. Ob man jetzt den religiösen Gesichtspunkt betrachtete: Gott ist anscheinend auch für das Böse verantwortlich, wie kann das sein, oder den physikalischen Aspekt, wie er in Stepen Hawkings "der große Entwurf", dargestellt wurde; stets gab es die Dichotomie zwischen gut und böse oder zwischen plus und minus. Erst durch die Gegenüberstellung konnte alles funktionieren.
Und nun schien sich das Böse in Luft aufgelöst zu haben, wenn man von den Naturkatastrophen absah. Manchmal verschwanden einige Politiker von der Bildfläche, von denen man nie mehr etwas hörte. Doch war die Ablöse jeweils rasch zur Stelle und bewies Umsicht und Organisationsvermögen, sodass der Vorgänger niemandem abging.
Die Parteiprogramme hatten sowieso schon lange keinen Biss mehr gehabt. Sie zeigten mittlerweile nur mehr Absichtserklärungen über zukünftige Bauabsichten und kulturelle Veranstaltungen. Die Programme der einzelnen Parteien waren kaum zu unterscheiden, selbst die Programme von Parteien unterschiedlicher Länder wiesen wenige Unterschiede auf.
"Es läuft alles wie am Schnürchen." Dieser Satz geisterte durch Hartmuts Kopf und erweckte Verdacht. Wenn etwas zu gut lief, musste irgendwann einmal der Rückschlag erfolgen. Doch ein solcher war in den letzten vierzig Jahren nicht erfolgt und es hatte keinen Anschein, dass er bevorstünde.
Die Wissenschaft wurde gefördert. An den technischen Universitäten gab es ausreichend Gelder für Forschungsprojekte, wobei speziell Chemie und Materialwissenschaften gefördert wurden. Physik hatte seine Schwerpunkte von der Kernphysik auf die Astrophysik verlagert. Der Weltraum schien besonders interessant geworden zu sein.
Die Informatik hatte sich kaum mehr weiter entwickelt. Sie war einfach da. Jedes Gerät hatte bereits einen Computer eingebaut, der für möglichst einfache Bedienung sorgte. In den Vierzigerjahren hatte es noch einen Informatikschub gegeben. Ein gewisser Alistair Sokolov hatte ein System für selbstreparierende Programme entworfen. Die neue Computersprache hieß COMFORT. Die Programmierung damit übertraf an Leichtigkeit noch das einstige BASIC, im Prinzip konnte man es als Mischung von BASIC, JAVA und PROLOG sehen, obwohl dies ja nicht möglich sein sollte. Seit es COMFORT gab, lernten die neuen Studenten nichts mehr anderes. Damit erschöpften sich aber auch die Forschungsthemen.
Alles funktionierte. Wie konnte es dazu gekommen sein?
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abohn - 7. Mai, 09:56
Gut gewagt!
Ein sehr ansprechender Text! So etwas würde ich auch...
abohn - 25. Apr, 15:30
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lamamma - 27. Mär, 12:44
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Wobei nähen sich ja viel...
Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
Schwallhalla - 26. Feb, 10:30

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