14
Mai
2014

aus 2041/16

Eine Erklärung wird angekündigt.

"Ich kenne das Buch gar nicht. Mich hat nur die Zahl fasziniert. Es ist ja offensichtlich eine Jahreszahl. Vor hundert Jahren. Das interessiert mich."
Veronika schaute ihn prüfend an. "Und warum interessieren Sie sich für eine derartige Jahreszahl?"
"Ich bin auf der Suche nach historischen Daten. Ich habe festgestellt, dass es kaum Material über die Zeit vor 2040 gibt. Eigentlich gibt es gar nichts. Jetzt habe ich einen Tipp bekommen, dass ich vielleicht in einem Museum fündig werden könnte. Aber offensichtlich gibt es da auch nichts. Zumindest nicht dort, wo ich war."
- "Und haben Sie eine Erklärung oder Vermutung, warum das so ist?"
Hartmut nickte nachdenklich. "Ich habe eben keine. Ich bin ganz am Anfang meiner Suche."
In der Zwischenzeit waren die beiden an der Kreuzung Heiligenstädterstrasse Barawitzkagasse angelangt. "Ich nehme an, Sie wollen zur Nummer 10." warf Veronika ein.
Hartmut war über das Wundern hinaus. "Ja, Sie haben offensichtlich Erfahrung damit, was passiert, wenn man 1984 anklickt."
Veronika ging auf die Bemerkung nicht ein. Unvermutet fragte sie plötzlich: "Was haben Sie den für eine Einstufung?" Hartmut antwortete, dass er nicht wisse was sie meine. Das schien Veronika nicht zu überraschen. "Nun, Sie müssen mindestens 2 wenn nicht 3 haben, wenn man Ihnen eine Besuch in Alt-Wien erlaubt. Sind Sie sich eigentlich bewusst, welche Privilegien Sie haben?"
"Nun, es geht mir gut, ich habe keine Sorgen, ich hatte sogar Arbeit. Jetzt bin ich in Pension."
"Wenn es das Buch noch zu lesen gäbe und Sie es gelesen hätten, wären Sie all ihrer Privilegien verlustig gegangen. Haben Sie den Hinweis auf klassifizierte Information nicht gelesen? Beim vierten Versuch, das Buch zu öffnen, hätte man Sie herabgestuft. Sie wären neugierig gewesen und hätten weiter geforscht und schlussendlich wären Sie auf Stufe 0 gelandet. Sie würden ihr Haus verlieren und in eine Innenstadt ziehen müssen."
Sie waren vor dem Haus Nr. 10 angelangt. Die Fassade des Hauses wies eine stark angedunkelte grüne Farbe auf. Es gab eine Klingelanlage, doch Veronika hielt eine Marke an das Schloß und Sie betraten das Stiegenhaus. Allerdings gab es nur wenige Stufen in ein Parterre, danach ging es wieder hinunter in den Keller, der einzelne Abteile für die Mieter aufwies. Es gab eine Türe, die sich von den anderen unterschied. Sie war fast nicht im Dunklen zu erkennen. Wieder hielt Veronika ihre Marke an die Tür und sie öffnete sich nach einer gewissen Wartezeit. Als die Türe offen stand, konnte Hartmut erkennen, dass es sich um eine Sicherheitstüre mit mehreren mechanischen Verriegelungen handelte.
Es gab nur eine spärliche Beleuchtung, die im wesentlichen von ein paar Bildschirmen herrührte. Ein Mann kam auf sie zu und begrüßte Veronika mit einem Vorwurf: "Bist Du wahnsinnig, den Typen hierher zu bringen."
Veronika antwortete: "Natürlich bin ich wahnsinnig wie wir alle hier. Aber habe ich mich je in meiner Menscheneinschätzung getäuscht?" Es gab ein abfälliges Grunzen. "Nun, jetzt ist er hier, was machen wir mit ihm?"
"Wir müssen für ihn eine Identität basteln. Eine, welche sein Interesse für 1984 zufällig erscheinen lässt. Es war ja wirklich zufällig, aber seine Nachfrage bedeutet ein Risiko für uns. Wir sollten unseren Stub entfernen."
"Ist schon passiert. Nachdem er noch zweimal versucht hat, nach zu fassen, wird 1984 sicher untersucht werden. Hoffentlich gibt es keine Spuren mehr von uns."
"Und die Logs? Hast Du die auch manipulieren können?" - Zumindest gibt es keine Hinweise mehr auf "Barawitzkagasse. Alles andere ist nicht relevant. Man weiß, dass es uns gibt, aber man duldet uns, solange wir nicht an die Öffentlichkeit treten. Soweit ist alles in Ordnung. Nur dein 'Bekannter' ist noch ein gewisses Risiko."
Hartmut hörte mit steigender Verwunderung zu. Was er zu verstehen glaubte, war eine Beeinflussung des Computersystems durch den Typen hier im Keller. Er hatte keine Ahnung, was das bedeutete. Seit 2040 gab es keine Hinweise mehr auf Viren, Trojaner oder andere Schadsoftware. Selbst mit dem Begriff Trojaner hätte Hartmut nichts anfangen können.
"Trinken wir einmal einen Tee und ich werde Hartmut aufklären."
Im nächsten Raum, der Küche und Essecke in einem war, wurde Tee gekocht. "Wir sind keine guten Gastgeber, denn wir scheuen jeden Kontakt mit den herkömmlichen Einrichtungen, es sei denn es ist notwendig wie z.B. heute." Sie nahm ihre Perücke und die Brille ab. Plötzlich war sie zu einer sehr gut aussehenden Blondine verwandelt, obwohl sie von ihrer Ausstrahlung her selbst keine Notiz zu nehmen schien.
"Also Hartmut, sag uns, was der eigentliche Auslöser für deinen Besuch in Alt-Wien ist."
Was sollte er sagen. Er erinnerte sich an sein Gespräch mit Peter. "Es geht uns sehr gut, aber irgendetwas stimmt nicht."
Er sagte es halblaut, so wie er es sich in Erinnerung rief.
"Und was stimmt nicht?" - "Es läuft zu gut! Ich habe das Gefühl, dass es nicht immer so war, aber ich kann das Gefühl nirgendwo festmachen."
"Sie haben ein gutes Gefühl. Sie haben recht, etwas stimmt nicht. Aber Sie haben keine Ahnung, was nicht stimmt."
Veronika holte tief Atem. "Was ich Ihnen jetzt sagen werde, wird Sie beunruhigen. Es muss Sie beunruhigen. Denn Ihr Leben ist in Gefahr."
Hartmut nahm das vorab mit Gleichmut hin. Er erinnerte sich an das, was Valerie ihm gesagt hatte. "Ich bin alt genug und muss mir kein Blatt mehr vor den Mund nehmen."
Sollte das für ihn ebenfalls bereits gelten?
Veronika stellte eine direkte Frage: "Wer kontrolliert Ihrer Meinung nach das, was auf der Welt geschieht? Global?"
Hartmut war versucht zu sagen: "Die Politiker".
Er überraschte sich allerdings selbst mit der Erkenntnis, dass das nicht stimmen könnte. Er korrigierte seine unmittelbare Reaktion auf "Ich nehme an, die Politiker, aber ich weiß nicht, wer die kontrolliert."
Veronika nickte zustimmend.
"Richtig! Wer kontrolliert die Politiker? - Nun nehmen wir einmal an, dass es da eine Kontrollinstanz gibt. Die operiert ja gar nicht so schlecht. Viele Probleme, welche die Menschen früher hatten, gibt es nicht mehr."
Hartmut nickte.
"Es gibt auch kein Verbrechen mehr. Ist Ihnen aufgefallen, dass manche Menschen einfach von der Bildfläche verschwinden?" Hartmut nickte.
"Sie sind in Gefahr, dass das mit Ihnen auch passiert. Es passiert mit all denen, die vermuten, dass es ein System gibt, ein System hinter den Politikern. Es gibt keine Prozesse. Es gibt keine Rechtsprechung. Der reine Verdacht reicht aus, um jemanden als Gefahr für das System einzustufen und ihn zu eliminieren."
Hartmut zögerte, es war schwer das so einfach zu verdauen.
"Gibt es jemanden in Ihrer Umgebung, der scheinbar mehr zu wissen scheint?" Hartmut verneinte, obwohl er langsam unsicher wurde. Peter, der da plötzlich im Infoautomaten aufgetaucht war, konnte schon so jemand sein.
"Trinken Sie Ihren Tee. Dann gebe ich Ihnen ein ungefähres Bild von der Situation. Bis jetzt hat Sie ihre Naivität geschützt, aber nun wird es besser sein, wenn Sie sich der Gefahren bewusst sind."
Hartmut rätselte: was konnte jenes System sein, das als so gefährlich geschildert wurde.
Veronika fing an zu erklären.
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Go und künstliche Intelligenz

Einen interessanten Artikel finde ich heute im Standard: das letzte Spiel, in dem Mensch über Computer triumphiert

Eigentlich habe ich Go ja immer als das Beispiel angeführt, welches noch nicht in ausreichender Stärke programmiert wrden kann. Wenn ich aber heute diesen Titel lese und darin eine etwas verächtliches Aussage über künstliche Intelligenz angeführt wird, bringt mich das zum Nachdenken. Es gibt nämlich kaum ein besseres Beispiel für menschliche Überheblichkeit, die letztlich zur Dummheit führt. Ausnahmsweise gebe ich nicht dem Journalisten die Schuld. Denn wenn er selbst nicht Go spielt, wird er nicht in der Lage sein, den Fehler in seiner Aussage zu erkennen.
Es ist wahr, zumindest der Überlieferung nach, dass Go ein Kampfspiel ist, das angeblich einmal auf Leben und Tod gespielt wurde. Das Gobrett oder besser der Gotisch war mit Vertiefungen angelegt, damit der Besiegte sein Haupt neigen konnte, welches ihm dann mit dem Schwert abgeschlagen wurde. In den Rinnen floss das Blut ab. Ob diese Überlieferung stimmt, kann ich nicht bezeugen. Heute wird jedenfalls nicht mehr so gespielt. Der Ausdruck triumphieren wird beim guten Gospieler nicht mehr gebraucht. Beim Gospiel wird ein Stärkenunterschied durch eine Vorgabe ausgeglichen. Selbst wenn die Gegner gleich stark sind, bekommt der Nachziehende ein Komi von 4,5 oder 5,5 manchmal 6 Punkten, die ihm vorteilhaft beim Endergebnis zugerechnet werden, damit der Vorteil des Anziehenden kompensiert wird.
Es gibt also schon einen Gewinner und einen Verlierer, allerdings wird bei guten Gospielern allein die Schönheit der Partie eine Rolle spielen. Gute Spieler wissen fast immer um das laufende Spielresultat Bescheid. Sie "zählen". Bei Freundschaftspartien wird nicht abgerechnet. Nur bei Turnierpartien spielen die Siege eine Rolle, weil sie letztlich über die Einstufung der Spielstärke entscheiden.
Ich habe eine Vermutung, warum sich Go zur Zeit noch nicht ausreichend stark programmieren lässt. Es gibt nämlich keinen "besten" Zug. Der beste Zug ist vom Spieler selbst abhängig. Er ist der Zug, den der Spieler in der Fortsetzung auch verteidigen kann. Spielt er zu "klein", wird er nicht genügend Punkte beanspruchen, spielt er zu "gross" für seine Spielstärke, wird ihn der Gegner so angreifen können, dass kein Gebietsanspruch übrig bleibt. Wie soll nun ein Programm entscheiden, wie stark das Programm selbst spielen kann? Die Folgezüge nach einem frechen Zug müssen oft auf 20 Züge vorausberechnet werden. Der Mensch kann sich das oft durch bestimmte Mustererkennung abkürzen. Doch die Kunst des guten Spiels besteht daran, einen Zug, der in einer Ecke gesetzt wird, nicht nur in bezug auf die Ecke sondern auch in bezug auf das ganze Brett zu bewerten. Der Anfänger im Spiel lernt das nur mühsam.
Das sehr gute Go vermisst also zwei wesentliche Aspekte des Spiels: eine punktuelle Gewinnstrategie und eine Bewertbarkeit der eigenen Züge. Die Bewertbarkeit der gegnerischen Züge ist nicht das Problem, denn hier muss immer nur die statische Situation nach dem Zug bewertet werden. Beim eigenen Zug muss man allerdings genau wissen, wie die Fortsetzung aussehen kann. Bei einem gegnerischen Angriff gibt es ebenfalls keine dem Schach entsprechende Verteidigung. Man kann einen Angriff ohne weiteres ignorieren, wenn ein unscheinbar wirkender Zug in einer anderen Region des Bretts mehr Punkte verspricht.
Es ist also kein Wunder, wenn die heutige "künstliche Intelligenz" nicht ausreicht. Sie wird in der Regel von Menschen zu programmieren versucht, die von einer "besten zutreffenden Lösung" ausgehen und diese berechnen wollen.
Ich bin aber sicher, dass es jemanden geben wird, der Go mit einer anderen Strategie in der Spielstärke verbessern will und irgendwann einmal das Ziel erreichen wird. Dann werden aber auch die Computer allgemein eine sprunghafte Leistungsverbesserung erreicht haben.

Anmerkung: ich habe da Go-Spiel im Alter von 22 Jahren aufgegeben. Frauen waren mir wichtiger. Ich habe die interessante Erfahrung gemacht, dass man auch von einem Spieler lernen kann, der schlechter als man selber spielt. Bis zum 20. Lebensjahr hatte ich nur mit meinem Vater gespielt, der ein 6. Kyu war. Als ich einem Club beitrat, wurde ich als 3. Kyu eingestuft und verbesserte mich bis zum 1. Kyu. In der Folge habe ich wenig gespielt, nahm es aber im Zuge meiner japanischen Geschäftstätigkeit wieder auf. Die Japaner freuten sich, wenn sie in der Mittagspause mit mir spielten. Damals war ich ungefähr ein 1. Dan, was durchaus ein Achtungserfolg war. Ein einziges Mal, ich weiß nicht, wie das vor sich ging, gewann ich auch gegen einen 4. Dan ohne Vorgabe. Heute spiele ich nicht mehr. Man sagt aber, dass man beim Go keine Spielstärke verliert. Das ist beim Schach sehr wohl der Fall. Vielleicht zeigt dies auch den grundlegenden Unterschied zwischen den beiden Spielen auf.
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Ein sehr ansprechender Text! So etwas würde ich auch...
abohn - 25. Apr, 15:30
Eigentlich habe ich deinen...
Eigentlich habe ich deinen Sohn erkannt. Der ist ja...
lamamma - 27. Mär, 12:44
Überrascht
Ich bin wirkliich überrascht, dass gerade Du lamentierst....
lamamma - 26. Mär, 15:30
Wobei nähen sich ja viel...
Wobei nähen sich ja viel direkter geboten hätte.
Schwallhalla - 26. Feb, 10:30

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